Ein Hauch von Schnee und Asche
Zylinder, der an seinem schmaleren Ende zu einer langen Nadel mit einer stumpfen Spitze auslief.
»Ich – oh – das… äh…« Er war sichtbar überrumpelt und stotterte wie ein Schuljunge, der Zigaretten hinter der Toilette versteckt hat. Dann kam ihm ein Gedanke, und er entspannte sich.
»Ohren«, erklärte er lautstark. »Zum Reinigen der Ohren. Ja, dazu sind sie da, wirklich. Ohrenklistiere!«
»Oh, wirklich?« Ich griff nach einer der Spritzen; er versuchte, mich aufzuhalten, doch seine Reflexe waren verlangsamt, und er bekam nur die Rüsche meines Ärmels zu fassen.
»Wie raffiniert«, sagte ich und betätigte den Drücker. Er war ein wenig schwergängig, aber gar nicht schlecht – vor allem nicht, wenn die Alternative
in einer improvisierten Spritze bestand, die sich aus einem Lederschläuchlein und einem Klapperschlangenzahn zusammensetzte. Natürlich durfte die Spitze nicht stumpf sein, aber es würde ein Leichtes sein, sie im spitzen Winkel abzuschneiden. »Woher habt Ihr sie? Ich würde gern auch ein Exemplar bestellen.«
Er starrte mich mit offenem Mund entgeistert an.
»Ich – äh – ich glaube wirklich nicht…«, wandte er schwach ein. Just in diesem perfekt unpassenden Moment erschien sein Dienstmädchen in der Tür.
»Mr. Brennan ist hier; seine Frau ist so weit«, sagte sie kurz.
»Oh!« Doktor Fentiman sprang auf, knallte seinen Koffer zu und hob ihn hastig auf.
»Ich entschuldige mich, meine liebe Mrs. Fraser… muss gehen… sehr dringende Angelegenheit – so erfreut, Euch gesehen zu haben!« Er rauschte hinaus, den Koffer an seine Brust geklammert, und trat in seiner Hast auf seinen Hut.
Die Dienstmagd hob die zerdrückte Kopfbedeckung resigniert auf und klopfte sie gleichgültig wieder in Form.
»Möchtet Ihr dann jetzt gehen, Ma’am?«, erkundigte sie sich in einem Tonfall, der keinen Zweifel daran ließ, dass ich jetzt gehen sollte, ob ich wollte oder nicht.
»Ja«, sagte ich und erhob mich. »Aber sagt mir -« Ich hielt ihr die Messingspritze in meiner Hand entgegen. »Wisst Ihr, was das ist und woher Doktor Fentiman es hat?«
Es war schwer zu sagen, in welche Richtung sie blickte, doch sie beugte den Kopf über die Spritze, um sie zu betrachten, und legte dabei auch nicht mehr Interesse an den Tag, als wenn es ein zwei Tage alter Stint gewesen wäre, den man ihr auf dem Markt anbot.
»Oh, das. Aye, Ma’am, das ist eine Penisspritze. Ich glaube, er hat sie in Philadelphia bestellt.«
»Eine, ähm, Penisspritze. Verstehe«, sagte ich und blinzelte ein wenig.
»Ja, Ma’am. Zur Behandlung von Tripper. Der Doktor behandelt viele Männer, die zu Mrs. Sylvie gehen.«
Ich holte tief Luft.
»Mrs. Sylvie. Ah. Und wisst Ihr auch, wo sich Mrs. Sylvies… Etablissement befindet?«
»Hinter Silas Jamesons Gastwirtschaft«, erwiderte sie und betrachtete mich zum ersten Mal mit einem Hauch von Neugier, als fragte sie sich, was für ein Schwachkopf das nicht wusste. »Braucht Ihr sonst noch etwas, Ma’am?«
»Oh, nein«, sagte ich. »Damit ist mir sehr geholfen, danke!« Ich machte Anstalten, ihr die Penisspritze zurückzugeben, doch dann kam mir ein spontaner Einfall. Der Doktor hatte schließlich zwei.
»Ich geb Euch einen Shilling dafür«, sagte ich und sah ihr in das Auge, das mir am ehesten in meine Richtung zu blicken schien.
»Abgemacht«, sagte sie prompt. Sie hielt einen Moment inne, dann fügte sie hinzu: »Wenn Ihr sie für Euren Mann braucht, seht besser erst zu, dass er sturzbetrunken ist.«
Meine wichtigste Mission war hiermit erfüllt, doch jetzt gab es eine neue Möglichkeit auszuloten, bevor ich meinen Angriff auf Mrs. Sylvies Haus von üblem Rufe startete.
Ich hatte vorgehabt, einen Glasbläser aufzusuchen und ihm anhand von Zeichnungen zu erklären, wie er mir Zylinder und Drücker einer Spritze anfertigen sollte. Das Problem, eine Hohlnadel herzustellen und sie daran zu befestigen, würde ich Brianna überlassen. Unglücklicherweise konnte der einzige Glasbläser, der in Cross Creek arbeitete, zwar jede Art von alltäglichen Flaschen, Krügen und Bechern herstellen, doch beim ersten Blick auf sein Angebot wurde offensichtlich, dass meine Erfordernisse seine Fähigkeiten weit überstiegen.
Aber jetzt brauchte ich mir darum keine Sorgen zu machen! Einer Metallspritze fehlten zwar diverse wünschenswerte Eigenschaften, die Glas besaß, doch sie hatte auch den unleugbaren Vorteil, dass sie unzerbrechlich war – und eine abnehmbare Nadel war zwar
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