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Ein Hauch von Schnee und Asche

Ein Hauch von Schnee und Asche

Titel: Ein Hauch von Schnee und Asche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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wurde schläfrig; ich konnte sehen, wie seine Lider erschlafften. »Ein hoch gewachsener Herr, gut gekleidet. Er hatte ein… ein außergewöhnlich schönes Pferd …«
    »Noch etwas Tee, Doktor Fentiman?« Ich drängte ihm eine neue Tasse auf und beschwor ihn, wach zu bleiben. »Bitte, erzählt mir mehr davon. Die Operation muss doch sehr kompliziert gewesen sein?«
    Männer hören es nicht gern, dass die Entfernung der Testikel eine simple Angelegenheit ist, doch so ist es. Obwohl ich zugeben musste, dass die Schwierigkeit in diesem Fall wahrscheinlich größer gewesen war, weil der Patient die ganze Zeit bei Bewusstsein gewesen war.
    Fentiman gewann seine Lebensgeister ein wenig zurück, als er mir davon erzählte.
    »… und die Kugel war mitten durch den Testikel gegangen; sie hatte ein perfektes Loch hinterlassen … Man konnte geradewegs hindurchsehen, glaubt es mir.« Es war nicht zu überhören, dass er den Verlust dieses interessanten Objekts bedauerte, und es kostete mich einige Mühe, ihn dazu zu bringen, dass er mir erzählte, was aus dem Herrn geworden war, zu dem es gehörte.
    »Nun, das war merkwürdig. Es war das Pferd, wisst Ihr…«, sagte er vage. »Ein herrliches Tier… langes Haar, wie das einer Frau, so ungewöhnlich…«
    Ein Friesenpferd. Dem Doktor war eingefallen, dass der Pflanzer Phillip Wylie eine Vorliebe für solche Pferde hatte, und er hatte dies seinem Patienten erzählt, dem er angesichts seines Geldmangels vorschlug, vielleicht darüber nachzudenken, Wylie sein Pferd zu verkaufen, da er sowieso in nächster Zeit nicht ohne Probleme reiten können würde. Der Mann hatte sich einverstanden erklärt und den Doktor gebeten, sich nach Wylie zu erkundigen, der wegen der Gerichtssitzungen im Ort war.
    Doktor Fentiman war dieser Bitte gern nachgekommen und hatte seinen Patienten gemütlich zugedeckt auf der Chaise zurückgelassen, einen Laudanumtrank greifbar zur Hand.
    Phillip Wylie hatte großes Interesse an dem Pferd gezeigt (»Ja, darauf möchte ich wetten«, sagte ich, doch der Doktor hörte es nicht) und war eilig mitgekommen, um es sich anzusehen. Das Pferd war noch da, doch der Patient war es nicht, denn er hatte sich in Abwesenheit des Doktors zu Fuß davongemacht – und ein halbes Dutzend Silberlöffel, eine emaillierte Schnupftabaksdose, die Laudanumflasche und sechs Shilling mitgenommen, die das gesamte Bargeld im Haus des Doktors ausmachten.

    »Ich kann mir gar nicht vorstellen, wie er das gemacht hat«, sagte Fentiman, und seine Augen wurden bei diesem Gedanken ganz groß. »In diesem Zustand!« Man musste ihm anrechnen, dass ihn der Zustand seines Patienten mehr zu bestürzen schien als sein persönlicher Verlust. Er war ein schrecklicher Trunkenbold, dieser Fentiman, dachte ich; ich hatte ihn noch nie völlig nüchtern gesehen – aber kein schlechter Arzt.
    »Dennoch«, fügte er stoisch hinzu, »Ende gut, alles gut, nicht wahr, meine werte Dame?«
    Womit er meinte, dass Phillip Wylie ihm das Pferd abgekauft hatte, und zwar zu einem Preis, der seinen Verlust mehr als wettmachte, so dass er letztlich noch einen ordentlichen Gewinn einstrich.
    »Genau«, sagte ich und fragte mich, wie Jamie diese Neuigkeit wohl aufnehmen würde. Er hatte den Hengst – denn es konnte nur Lucas sein – in River Run im Lauf eines erbitterten Kartenspiels gegen Phillip Wylie gewonnen, nur um ihn sich ein paar Stunden später von Stephen Bonnet wieder stehlen zu lassen.
    Im Großen und Ganzen ging ich davon aus, dass es Jamie freuen würde, dass der Hengst wieder in guten Händen war, auch wenn es nicht die seinen waren. Und was die Neuigkeiten von Bonnet anging… »Unkraut vergeht nicht« , war seine zynische Meinung gewesen, als Bonnets Leiche nicht aufgetaucht war, nachdem Brianna auf ihn geschossen hatte.
    Fentiman gähnte jetzt unverhohlen. Er blinzelte mit tränenden Augen, tastete auf der Suche nach einem Taschentuch an sich herum und bückte sich dann, um in seinem Arztkoffer zu suchen, den er neben seinem Sessel auf den Boden gestellt hatte.
    Ich hatte mein eigenes Taschentuch hervorgezogen und beugte mich zu ihm hinüber, um es ihm zu reichen, als ich sie in dem geöffneten Koffer sah.
    »Was ist das?«, fragte ich und zeigte mit dem Finger darauf. Ich konnte natürlich sehen, was es war; was ich wissen wollte, war, woher er sie hatte. Es waren Spritzen, zwei Stück, perfekte kleine Spritzen aus Messing. Sie bestanden aus zwei Teilen: einem Drücker mit runden Griffen und einem

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