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Ein Hauch von Schnee und Asche

Ein Hauch von Schnee und Asche

Titel: Ein Hauch von Schnee und Asche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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ihre bebende Hand nach mir aus.
    »Es tut mir so Leid, Mrs. Fraser«, flüsterte sie, und Tränen des Anstands zitterten auf ihren Wimpern. »Er – wir – wir wollten Euch nicht verletzen.«
    Ich sah mit Interesse von irgendwo außerhalb meines Körpers aus zu, wie sich mein Arm hob und ausholte, und ich spürte ein vages Gefühl des Beifalls, als meine Hand so kräftig auf ihre Wange traf, dass sie rückwärts taumelte, über einen Hocker stolperte und hinfiel, so dass sich ihre Unterröcke als Bausch aus Leinen bis zu ihrer Taille hochschoben und ihre Wollstrümpfe absurd in die Luft ragten.
    »Ich fürchte, das kann ich von mir nicht sagen.« Ich hatte gar nicht vorgehabt, etwas zu sagen, und war überrascht, die Worte kühl und rund wie Bachkiesel in meinem Mund zu spüren.
    Plötzlich befand ich mich wieder in meinem Körper. Ich fühlte mich, als wäre mein Korsett während meiner kurzen Abwesenheit enger geworden; das Atmen kostete mich solche Mühe, dass meine Rippen schmerzten. Flüssigkeit drängte in alle Richtungen; Blut und Lymphe, Schweiß und Tränen – wenn ich Luft holte, würde meine Haut nachgeben und es alles herausspritzen lassen wie den Inhalt einer reifen Tomate, die man gegen eine Wand warf.
    Ich hatte keine Knochen mehr. Aber ich hatte meine Willenskraft. Diese allein hielt mich aufrecht und half mir zur Tür hinaus. Ich sah weder den Flur, noch war mir bewusst, dass ich die Haustür aufgedrückt hatte; alles, was ich sah, war eine plötzliche Lichtflut und verschwommenes Grün auf dem Hof, und dann rannte ich, rannte, als wären mir sämtliche Dämonen der Hölle auf den Fersen.
    In Wirklichkeit folgte mir niemand. Und doch rannte ich, stürzte vom Fußweg in den Wald, rutschte auf den schlüpfrigen Nadeln in den Furchen zwischen den Steinen aus, fiel halb den Abhang hinunter, prallte schmerzhaft gegen umgestürzte Baumstämme und riss mich von Dornen und Gebüsch los.
    Atemlos erreichte ich den Fuß des Hügels und fand mich in einer dunklen, kleinen Talmulde wieder, die von hoch aufragenden, schwarzgrünen Rhododendren ummauert war. Ich blieb stehen und rang nach Luft, dann setzte ich mich abrupt hin. Ich spürte, wie ich zitterte, und gab jede Haltung auf, so dass ich auf dem Rücken auf einer staubigen Schicht ledriger Berglorbeerblätter landete.
    Ein entfernter Gedanke hallte unter den Geräuschen meines keuchenden Atems in meinem Kopf wider. »Der Schuldige flieht, obwohl ihn niemand
jagt.« Doch ich war mit Sicherheit nicht schuldig. Das galt auch für Jamie; das wusste ich. Ich wusste es einfach.
    Doch Malva war ohne Zweifel schwanger. Irgendjemand war schuldig.
    Ich sah verschwommen, weil ich so gerannt war, und das Sonnenlicht zerfiel in gebrochene Flächen und bunte Streifen – dunkelblau, hellblau, weiß und grau, Windrädchen aus Grün und Gold, und der Berghang über mir drehte und drehte sich um mich.
    Ich kniff fest die Augen zusammen, und die unvergossenen Tränen rannen mir über die Schläfen.
    »Oh, verdammt, verdammt noch mal«, wisperte ich. »Und jetzt?«
     
    Jamie bückte sich, ohne nachzudenken, ergriff das Mädchen an den Ellbogen und zerrte sie ohne Umschweife wieder hoch. Ihre Wange trug einen leuchtend roten Fleck, wo Claire sie geohrfeigt hatte, und eine Sekunde lang verspürte er ein heftiges Bedürfnis, ihr auch auf der anderen Seite den entsprechenden Fleck zu verpassen.
    Er bekam weder Gelegenheit, dieses Bedürfnis zu unterdrücken noch ihm nachzugehen; eine Hand packte ihn an der Schulter und riss ihn herum, und es war purer Reflex, der ihn ausweichen ließ, als Allan Christies Faust seitlich an seinem Kopf abprallte und ihn schmerzhaft am Ohr erwischte. Er schubste den jungen Mann fest mit beiden Händen vor die Brust, stellte ihm dann ein Bein, und Allan landete mit einem Krachen, das das ganze Zimmer erschütterte, auf dem Hintern.
    Jamie trat einen Schritt zurück, eine Hand an seinem schmerzenden Ohr, und funkelte Tom Christie an, der dastand und ihn anstarrte wie Lots Weib.
    Jamies freie Linke war zur Faust geballt, und er hob sie einladend. Christies Augen wurden noch schmaler, doch er machte keine Bewegung in Jamies Richtung.
    »Steh auf«, sagte Christie zu seinem Sohn. »Und behalte deine Fäuste bei dir. Das ist jetzt wirklich nicht nötig.«
    »Ach nein?«, rief der Junge, während er sich aufrappelte. »Er hat eine Hure aus deiner Tochter gemacht, und du lässt ihn einfach stehen? Nun, wenn du den Feigling geben willst, alter Mann, ich

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