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Ein Hauch von Schnee und Asche

Ein Hauch von Schnee und Asche

Titel: Ein Hauch von Schnee und Asche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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lief ihr wie eine Perle über die ungezeichnete Wange. »Eines Abends bin ich spät aus ihrem Zimmer gekommen und habe ihn hier gefunden. Er hat im Dunklen gesessen und geweint. Er hat mir so Leid getan …« Ihre Stimme zitterte, und sie hielt inne und schluckte.
    »Ich habe gefragt, ob ich ihm einen Bissen zu essen holen könnte, oder etwas zu trinken – aber er hatte schon etwas getrunken, er hatte ein Glas Whisky vor sich stehen …«
    »Und ich habe gesagt, nein danke, und dass ich lieber allein sein möchte«, fiel Jamie ein, und er spürte, wie ihm bei ihrer Erzählung das Blut in die Schläfen drängte. »Ihr seid gegangen.«
    »Nein, das bin ich nicht.« Sie schüttelte den Kopf; ihre Haube hatte sich bei ihrem Sturz halb gelöst und sie hatte sie nicht wieder zurechtgerückt; ihr Haar hing in langen dunklen Strähnen herab, die ihr Gesicht umrahmten. »Oder vielmehr habt Ihr das zu mir gesagt, dass Ihr lieber allein wärt. Aber ich konnte es nicht ertragen, Euch so mitgenommen zu sehen, und – ich weiß, dass es dreist und unschicklich gewesen ist, aber Ihr habt mir so Leid getan!«, platzte sie heraus. Sie sah hoch und senkte den Blick unverzüglich wieder.
    »Ich … ich bin zu ihm gegangen und habe ihn berührt«, flüsterte sie so leise, dass er sie kaum hören konnte. »Habe ihm die Hand auf die Schulter gelegt, nur um ihn zu trösten. Aber dann hat er sich plötzlich umgedreht und die Arme um mich gelegt und mich an ihn gepresst. Und – und dann …« Sie schluckte hörbar.
    »Er… er hat mich genommen. Gleich… hier.« Sie streckte den Zeh ihres kleinen Schuhs aus und wies geziert auf den Flickenteppich vor dem Tisch. Auf dem sich in der Tat ein kleiner, uralter brauner Fleck befand, der aussah wie Blut. Es war auch Blut – Jemmy war einmal auf dem Teppich gestolpert und hatte sich die Nase gestoßen, so dass sie blutete.

    Er öffnete den Mund, um zu sprechen, doch Erstaunen und Entrüstung schnürten ihm die Kehle so fest zu, dass ihm nur ein Keuchen entfuhr.
    »Ihr habt also nicht den Mut, es zu leugnen, wie?« Allan war wieder zu Atem gekommen; er hatte sich schwankend auf die Knie hochgerappelt, das Haar im Gesicht, und funkelte ihn an. »Nur den Mut, es zu tun!«
    Er brachte Allan mit einem Blick zum Schweigen, würdigte ihn jedoch keiner Antwort. Stattdessen richtete er seine Aufmerksamkeit auf Tom Christie.
    »Ist sie verrückt?«, erkundigte er sich. »Oder nur schlau?«
    Christies Gesicht hätte aus Stein gemeißelt sein können, wären da nicht die bebenden Tränensäcke unter seinen Augen gewesen und die Augen selbst, blutunterlaufen und zusammengekniffen.
    »Sie ist nicht verrückt«, sagte Christie.
    »Dann ist sie eine schlaue Lügnerin.« Jamie sah sie seinerseits mit zusammengekniffenen Augen an. »Schlau genug, um zu wissen, dass ihr niemand glauben würde, wenn sie behaupten würde, es wäre Vergewaltigung gewesen.«
    Sie öffnete entsetzt den Mund.
    »O nein, Sir«, sagte sie und schüttelte so fest den Kopf, dass die dunklen Locken ihre Ohren umtanzten. »So etwas würde ich nie von Euch sagen, nie!« Sie schluckte und hob furchtsam die Augen, um seinen Blick zu erwidern – vom Weinen geschwollen, aber sanft und taubengrau, arglos und unschuldig.
    »Ihr habt Trost gebraucht«, sagte sie leise, aber deutlich. »Ich habe ihn Euch geschenkt.«
    Er kniff sich fest mit Daumen und Zeigefinger in die Nase, weil er hoffte, dass ihn der Schmerz aus diesem offensichtlichen Albtraum wecken würde. Da dies nicht geschah, seufzte er und sah Tom Christie an.
    »Sie bekommt ein Kind von irgendjemandem, und ich bin es nicht«, sagte er unverblümt. »Wer kann es gewesen sein?«
    » Ihr wart es!«, protestierte das Mädchen, das jetzt seine Schürze fallen ließ und sich kerzengerade auf ihren Hocker setzte. »Es gibt keinen anderen!«
    Christies Augen glitten widerstrebend zu seiner Tochter, dann richteten sie sich wieder auf Jamie. Ihre Farbe war dasselbe Taubenblau, doch sie hatten nie auch nur die geringste Spur von Arglosigkeit oder Unschuld an den Tag gelegt.
    »Ich weiß von niemandem«, sagte er. Er holte tief Luft und richtete seine kantigen Schultern auf. »Sie sagt, es war nicht nur das eine Mal. Dass Ihr sie ein Dutzend Mal oder öfter genommen habt.« Seine Stimme war beinahe tonlos, jedoch nicht, weil er nichts empfand; vielmehr, weil er seine Empfindungen so fest im Griff hatte.
    »Dann hat sie ein Dutzend Mal oder öfter gelogen«, sagte Jamie, der seine Stimme genauso

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