Ein Hauch von Schnee und Asche
zitternd um mich selbst geschlungen, um mich zu wärmen.
Du könntest es fast verstehen , sagte der Teil meines Verstandes, der auf dem Weg bergauf irgendwann zu reden begonnen hatte. Alle haben gedacht, dass du im Sterben liegst – du selber auch. Du weißt, was das bewirkt, du hast es schon oft gesehen. Menschen unter der furchtbaren Last des Schmerzes, die mit der Realität überwältigender Todesfälle fertig werden müssen – ich hatte es schon oft gesehen. Es war eine ganz natürliche Suche nach Trost, ein Versuch, sich zu verstecken, die Kälte des Todes zu leugnen, indem man sich in die simple Wärme körperlichen Kontaktes flüchtete.
»Aber er hat es nicht getan«, sagte ich stur vor mich hin. »Wenn er es getan hätte und das der Grund war – könnte ich ihm verzeihen. Aber, gottverdammt, er hat es nicht getan!«
Mein Unterbewusstsein ließ sich in diese Gewissheit sinken, doch ich war mir eines unterschwelligen Rumorens bewusst; nicht Argwohn, nichts, was stark genug gewesen wäre, um es Zweifel zu nennen. Nur einzelne, kühle Beobachtungen, die ihre Köpfe an die Oberfläche meines persönlichen dunklen Brunnens steckten wie kleine Frösche, hohe, schwache Töne, die einzeln kaum hörbar waren, sich aber möglicherweise am Ende zu einem solchen Lärm summierte, dass die Nacht aus den Fugen geriet.
»Du bist eine alte Frau.«
»Sieh doch, wie sich die Adern auf deinen Händen abzeichnen.«
»Deine Haut ist schlabberig geworden; du hast Hängebrüste.«
»Wenn er verzweifelt war und Trost brauchte …«
»Möglich, dass er sie zurückweist, aber er würde nie einem Kind von seinem Blut den Rücken zukehren.«
Ich schloss die Augen und bekämpfte meine zunehmende Übelkeit. Der Hagel war vorüber, gefolgt von heftigem Regen, und kalter Nebel begann sich vom Boden zu erheben und aufzusteigen, um gespenstisch im Wolkenbruch zu verschwinden.
»Nein«, sagte ich laut. »Nein!«
Ich fühlte mich, als hätte ich mehrere große Steine verschluckt, deren Oberfläche rau und schmutzig war. Es war nicht nur der Gedanke, dass Jamie mich betrogen haben könnte – sondern dass mich Malva mit ziemlicher Sicherheit betrogen hatte . Mich betrogen hatte, wenn es die Wahrheit war – und noch mehr, wenn es nicht so war.
Meine Schülerin. Tochter meines Herzens.
Ich war zwar vor dem Regen sicher, doch die Luft war voller Wasser; meine Kleider wurden feucht und hingen mir schwer am Körper, klebten klamm an meiner Haut. Durch den Regen konnte ich den großen weißen Stein sehen, der am Kopfende der Quelle stand und dem Becken seinen Namen gab. An dieser Stelle hatte Jamie sein Blut zum Opfer gebracht und es auf diesen Felsen gespritzt, während er den Onkel, den er umgebracht hatte, um Beistand bat. Und hier an dieser Stelle hatte sich Fergus niedergelegt und seine Adern geöffnet aus Verzweiflung um seinen Sohn, und sein Blut war dunkel im stillen Wasser aufgeblüht.
Und ich begann zu begreifen, warum ich hierher gekommen war; warum dieser Ort mich gerufen hatte. Es war ein Ort, an dem man in sich gehen und die Wahrheit finden konnte.
Der Regen ging vorüber, und die Wolken rissen auf. Langsam begann das Licht zu schwinden.
Es war fast dunkel, als er kam. Die Bäume bewegten sich unruhig im Zwielicht und unterhielten sich murmelnd; ich hörte seine Schritte auf dem nassen Pfad nicht. Er war einfach da, plötzlich, am Rand der Lichtung.
Er stand suchend da; ich beobachtete, wie er den Kopf hob, als er mich erspähte, dann umschritt er das Wasserbecken und duckte sich unter die tief hängenden Zweige meiner Zuflucht. Ich sah, dass er schon seit einiger Zeit im Freien war; sein Rock war nass, und Regen und Schweiß hatten ihm das Hemd an die Brust geklebt. Er hatte einen Umhang mitgebracht, den er als Bündel unter dem Arm trug. Diesen faltete er jetzt auseinander und legte ihn mir um die Schultern. Ich ließ es geschehen.
Dann setzte er sich dicht neben mich, schlang die Arme um die Knie und starrte in das dunkler werdende Quellbecken. Das Licht hatte jenen Punkt der Schönheit erreicht, kurz bevor jede Farbe verblasst, und seine Augenbrauen schwangen sich tiefbraun und perfekt über seine Stirn, jedes Haar einzeln erkennbar wie die kürzeren, dunklen Haare seines sprossenden Bartes.
Er atmete in langen, tiefen Zügen, als wären wir eine Weile gewandert, und wischte sich einen Tropfen von der Nasenspitze. Ein- oder zweimal holte er abrupt Luft, als wollte er etwas sagen, tat es aber nicht.
Die
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