Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ein Hauch von Schnee und Asche

Ein Hauch von Schnee und Asche

Titel: Ein Hauch von Schnee und Asche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
Vom Netzwerk:
offensichtlich schon?«
    »Nein«, sagte er und seufzte. »Nicht so, wie du denkst, Sassenach.«
    »Nenn mich nicht so«, sagte ich, und sogar ich konnte das Gift in meiner leisen Stimme hören.
    Er stieß einen schottischen Kehllaut der frustrierten Resignation aus und rieb sich das Handgelenk.
    »Aye. Nun, siehst du, es war an dem Abend, bevor ich mich den Engländern gestellt habe …«
    »Das hast du mir nie erzählt!«
    »Was denn?« Er klang verwirrt.
    »Dass du dich den Engländern gestellt hast. Wir dachten, sie hätten dich erwischt.«
    »Das haben sie auch«, sagte er kurz. »Aber ich hatte es arrangiert, wegen des Kopfgeldes.« Er tat die Angelegenheit mit einer Handbewegung ab. »Es war nicht wichtig.«
    »Sie hätten dich hängen können!« Und das wäre auch gut so gewesen , sagte die leise, tobende, verletzte Stimme in meinem Kopf.
    »Nein, das hätten sie nicht.« Ein schwacher Hauch von Belustigung tauchte in seiner Stimme auf. »Das hattest du mir gesagt, Sass- mmpfm. Es hat mich damals aber auch nicht interessiert.«
    Ich hatte keine Ahnung, was er damit meinte, ich hätte es ihm gesagt, aber es war mir im Moment herzlich egal.
    »Vergessen wir das«, sagte ich gereizt. »Ich möchte wissen -«
    »Was mit Mary war. Aye, ich weiß.« Er fuhr sich langsam mit der Hand durch das Haar. »Aye, nun gut. Sie ist zu mir gekommen, am Abend, bevor ich – ich gegangen bin. Ich habe ja in der Nähe von Lallybroch in einer Höhle gelebt, und sie hat mir mein Abendessen gebracht. Und dann ist sie … geblieben.«
    Ich biss mir auf die Zunge, um ihn nicht zu unterbrechen. Ich konnte spüren, wie er seine Gedanken sammelte und nach Worten suchte.

    »Ich habe versucht, sie fortzuschicken«, sagte er schließlich. »Sie… nun, was sie zu mir gesagt hat …« Er sah mich an, ich verfolgte seine Kopfbewegung. »Sie hat gesagt, sie hätte mich mit dir zusammen gesehen, Claire – und dass sie wahre Liebe erkennen könnte, wenn sie sie sah, auch wenn sie sie nicht selbst erlebt hatte. Und dass es ihr fern läge, mich dazu zu bringen, das zu verraten. Aber sie würde mir gern … eine Kleinigkeit mitgeben. Das ist es, was sie zu mir gesagt hat«, sagte er, und seine Stimme war heiser geworden. »Eine Kleinigkeit, die Ihr vielleicht brauchen könnt.«
    »Es war – ich meine, es war nicht…« Er hielt inne und machte diese typische achselzuckende Bewegung, so als sei ihm sein Hemd an den Schultern zu eng. Er senkte den Kopf einen Moment auf die Knie, um die er die Hände geschlungen hatte.
    »Sie hat mir Zärtlichkeit gegeben«, sagte er schließlich so leise, dass ich ihn kaum hörte. »Ich – ich hoffe, ich habe ihr das Gleiche gegeben.«
    Meine Kehle und meine Brust waren zu eng, um etwas zu sagen, und die Tränen stiegen mir brennend in die Augen. Mir fiel ganz plötzlich wieder ein, was er an dem Abend zu mir gesagt hatte, als ich Tom Christies Hand operierte, über das Herz Jesu – »so sehnsüchtig, und es war niemand da, der ihn berühren konnte« . Und er hatte sieben Jahre allein in einer Höhle gelebt.
    Wir saßen keine dreißig Zentimeter auseinander, doch es schien eine unüberbrückbare Kluft zu sein.
    Ich streckte den Arm darüber hinweg und legte meine Hand auf die seine, so dass meine Fingerspitzen seine kräftigen, wettergegerbten Knöchel berührten. Ich holte Luft, dann noch einmal, und versuchte, meine Stimme unter Kontrolle zu bekommen, doch sie brach und überschlug sich trotzdem.
    »Du hast ihr… Zärtlichkeit gegeben. Das weiß ich genau.«
    Er wandte sich jäh zu mir hin, und mein Gesicht war in seinen Rock gepresst, dessen Stoff feucht und rau an meiner Haut lag. Meine Tränen breiteten sich zu kleinen warmen Flecken aus, die sofort in der Kühle des Stoffs untergingen.
    »Oh, Claire«, flüsterte er mir ins Haar. Ich tastete nach ihm und konnte Feuchtigkeit auf seinen Wangen spüren. »Sie hat gesagt – sie wollte dich für mich lebendig halten. Und sie hat es auch so gemeint, sie wollte nichts für sich selbst.«
    Da begann ich hemmungslos zu weinen. Um die leeren Jahre, in denen ich mich nach der Berührung einer Hand gesehnt hatte. Hohle Jahre, in denen ich neben einem Mann lag, den ich betrogen hatte, für den ich keine Zärtlichkeit empfand. Um die Schrecken und Zweifel und Schmerzen des heutigen Tages. Ich weinte um ihn und um mich und um Mary MacNab, die wusste, was Einsamkeit war – und auch, was Liebe war.
    »Ich hätte es dir schon früher erzählt«, flüsterte er und

Weitere Kostenlose Bücher