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Ein Hauch von Schnee und Asche

Ein Hauch von Schnee und Asche

Titel: Ein Hauch von Schnee und Asche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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sie gehören nicht hierher. Jemmy sollte nicht hier sein; er sollte sich Zeichentrickfilme im Fernsehen anschauen und mit Filzstiften Autos und Flugzeuge malen – statt zu lernen, wie man mit einer Waffe schießt, die so groß ist wie er selbst, und wie man einen Hirsch auswaidet.«
    Ich hob den Kopf und schloss die Augen. Ich spürte, wie sich die Feuchtigkeit auf meiner Haut niederließ und sich schwer auf meine Wimpern legte.
    »Aber wir sind hier, wir alle. Und wir sind hier, weil ich dich geliebt habe, mehr als das Leben, das ich geführt habe. Weil ich geglaubt habe, dass du mich genauso liebst.«
    Ich holte tief Luft, damit meine Stimme nicht zitterte, öffnete die Augen und wandte mich ihm zu.
    »Willst du mir jetzt sagen, dass das nicht stimmt?«
    »Nein«, sagte er ein paar Sekunden später, so leise, dass ich ihn kaum hören konnte. »Nein, das will ich dir nicht sagen. Niemals, Claire.«
    »Nun denn«, sagte ich und spürte, wie die Aufregung, die Wut und die Angst des vergangenen Nachmittags wie Wasser aus mir hinausströmten. Ich legte ihm die Hand auf die Schulter und schnupperte Regen und Schweiß auf seiner Haut. Er roch scharf nach dem Moschus der Angst und der geballten Wut.
    Inzwischen war es völlig dunkel. In der Entfernung konnte ich Geräusche hören, Mrs. Bug, die im Stall, wo sie die Ziegen gemolken hatte, nach Arch
rief, und seine brüchige alte Stimme, die den Ruf erwiderte. Eine Fledermaus huschte lautlos auf der Jagd an uns vorbei.
    »Claire?«, sagte Jamie leise.
    »Hm?«
    »Ich muss dir etwas sagen.«
    Ich erstarrte. Einen Moment später löste ich mich vorsichtig von ihm und setzte mich kerzengerade hin.
    »Bitte lass das«, sagte ich. »Ich fühle mich dann, als hätte mich jemand in den Magen geboxt.«
    »Tut mir Leid.«
    Ich schlang die Arme um mich selbst und versuchte, das plötzliche Gefühl der Übelkeit herunterzuschlucken.
    »Du hast gesagt, das wolltest du nicht sagen, weil es sich so anfühlt, als gäbe es etwas, was dir Leid tun muss.«
    »Das stimmt«, sagte er und seufzte.
    Ich spürte die Bewegung zwischen uns, als die beiden steifen Finger seiner rechten Hand gegen sein Bein trommelten.
    »Es ist unmöglich«, sagte er schließlich, »der eigenen Frau mit schonenden Worten zu sagen, dass man mit einer anderen geschlafen hat. Ganz gleich, unter welchen Umständen. Es geht einfach nicht.«
    Mir war plötzlich schwindelig, und ich bekam kaum Luft. Ich schloss einen Moment die Augen. Er meinte nicht Malva; das hatte er deutlich gesagt.
    »Wer?«, sagte ich so gleichmütig wie möglich. »Und wann?«
    Er bewegte sich beklommen.
    »Oh. Nun … als du … jedenfalls, als du fort warst.«
    Es gelang mir, kurz Luft zu holen.
    »Wer?«, sagte ich.
    »Nur einmal«, sagte er. »Ich meine, ich hatte nicht die geringste Absicht -«
    »Wer?«
    Er seufzte und rieb sich fest den Nacken.
    »Himmel. Das Letzte, was ich möchte, ist, dich in Aufregung zu versetzen, Sassenach, indem ich es so klingen lasse, als ob – aber ich wollte die arme Frau auch nicht in Misskredit bringen, indem ich es so aussehen ließ, als ob …«
    »WER?«, dröhnte ich und packte ihn am Arm.
    »Himmel!«, sagte er gründlich erschrocken. »Mary MacNab.«
    »Wer?«, sagte ich noch einmal, diesmal verständnislos.
    »Mary MacNab«, wiederholte er und seufzte. »Kannst du mich loslassen? Ich glaube, ich blute.«
    Das stimmte, ich hatte meine Fingernägel so fest in sein Handgelenk gebohrt, dass sie durch die Haut gingen. Ich schleuderte seinen Arm von mir und ballte meine Hände zu Fäusten. Dann schlang ich die Arme wieder um mich selbst, um ihn nicht zu erwürgen.

    »Wer. Zum. Teufel. Ist. Mary. MacNab?«, spuckte ich mit zusammengebissenen Zähnen aus. Mein Gesicht war heiß, doch der kalte Schweiß lief mir über Kinn und Rippen.
    »Du kennst sie, Sassenach. Sie war mit Rab verheiratet – der umgekommen ist, als sein Haus abgebrannt ist. Sie hatten ein Kind, Rabbie; er war Stalljunge in Lallybroch, als -«
    »Mary MacNab? Sie ?« Ich konnte das Erstaunen in meiner eigenen Stimme hören. Ich konnte mich an Mary MacNab erinnern – mit Mühe. Nach dem Tod ihres gewalttätigen Ehemanns war sie als Magd nach Lallybroch gekommen; eine schmächtige, drahtige Frau, die mir im wilden Chaos des Lebens auf Lallybroch nie mehr als am Rande ins Auge gefallen war.
    »Sie ist mir kaum aufgefallen«, sagte ich und versuchte – vergeblich – mich zu erinnern, ob sie bei meinem letzten Besuch dort gewesen war. »Aber dir

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