Ein Hauch von Schnee und Asche
den schlaffen Arm fallen, griff nach meinem Messer und fasste nach ihrem Rocksaum.
Ich handelte, ohne nachzudenken, ohne Angst, ohne Zweifel – es gab nichts als das Messer und den Druck, die sich teilende Haut und die leise Möglichkeit, die Panik absoluter Not...
Ich schlitzte ihr den Bauch vom Nabel bis zum Schambein auf, schob mich fest durch die erschlafften Muskeln, verletzte die Gebärmutter, doch ganz gleichgültig, schnitt rasch, aber vorsichtig durch die Gebärmutterwand, ließ das Messer fallen und tauchte mit beiden Händen tief in Malva Christie ein, immer noch blutwarm, und ergriff das Kind, umfasste es, drehte es, zerrte fest daran in meiner Panik, es zu befreien, es dem sicheren Tod zu entreißen, es an die Luft zu holen, ihm atmen zu helfen … ihr Körper schlackerte und zuckte, als ich daran ruckte, und ihre erschlafften Gliedmaßen schlingerten hin und her.
Es löste sich mit der Plötzlichkeit der Geburt, und ich wischte ihm Blut und Schleim aus dem winzigen, versiegelten Gesicht, blies ihm in die Lungen, sanft, ganz sanft, man muss sanft blasen, die Alveolen der Lungen sind wie Spinnweben, so klein, drückte ihm auf die Brust, nicht mehr als eine Handspanne, drückte mit zwei Fingern, nicht mehr, und spürte einen Anflug Spannkraft, zart wie eine Uhrfeder, spürte die Bewegung, ein schwaches Zappeln, ein leiser, instinktiver Kampf – und spürte es verblassen, dieses Flackern, diesen winzigen Lebensfunken, rief schmerzerfüllt auf und klammerte den winzigen, puppenhaften Körper an meine Brust, noch warm, noch warm.
»Geh nicht«, sagte ich, »geh nicht, geh nicht, bitte geh nicht.« Doch der lebendige Hauch verschwand, ein schwaches blaues Glühen, das eine Sekunde lang meine Handflächen zu erleuchten schien und dann schrumpfte wie eine Kerzenflamme, zur Kohle eines glühenden Dochtes, zu einer kaum merklichen Spur von Licht – und dann war alles dunkel.
Ich saß immer noch in der gleißenden Sonne, den Körper des kleinen Jungen im Schoß, Malvas verstümmelte Leiche an meiner Seite, weinend und blutüberströmt, als sie mich fanden.
85
Die geraubte Braut
Eine Woche war vergangen, und kein Hinweis, wer es getan hatte. Getuschel, Seitenblicke und ein spürbarer Nebel des Argwohns hingen über Fraser’s Ridge, doch obwohl Jamie keine Anstrengung ausließ, war niemand zu finden, der irgendetwas wusste – oder zu sagen bereit war.
Ich konnte sehen, wie sich Jamies Anspannung und Frustration mit jedem Tag mehr aufstauten, und wusste, dass sie ein Ventil finden mussten. Doch ich hatte keine Ahnung, was er tun würde.
Am Mittwoch stand Jamie nach dem Frühstück mit finsterem Gesicht am Fenster seines Studierzimmers, dann ließ er die Faust so plötzlich auf den Tisch niedersausen, dass ich zusammenfuhr.
»Ich kann das nicht mehr ertragen«, unterrichtete er mich. »Noch eine Sekunde länger, und ich werde verrückt. Ich muss irgendetwas tun, und das werde ich auch.« Ohne meine Antwort auf diese Erklärung abzuwarten, schritt er zur Tür des Studierzimmers, öffnete sie mit Schwung und brüllte »Joseph!« in den Flur.
Mr. Wemyss tauchte aus der Küche auf, wo er auf Mrs. Bugs Geheiß den Schornstein gefegt hatte. Er sah erschrocken, blass, rußfleckig und ganz allgemein zerzaust aus.
Jamie ignorierte die schwarzen Fußspuren auf dem Zimmerfußboden – er hatte den Teppich verbrannt – und fixierte Mr. Wemyss mit gebieterischem Blick.
»Wollt Ihr diese Frau?«, fragte er fordernd.
»Frau?« Mr. Wemyss war verständlicherweise verwirrt. »Was – oh. Habt Ihr – meint Ihr vielleicht Fräulein Berrisch?«
»Wen denn sonst? Wollt Ihr sie?«, wiederholte Jamie.
Es war offenbar lange her, dass irgendjemand Mr. Wemyss danach gefragt hatte, was er wollte, und er brauchte einige Zeit, um sich von seinem Schreck zu erholen.
Jamies brutales Nachhaken drängte ihn nach zahlreichen gemurmelten Einwänden, dass Fräulein Berrischs Freunde doch sicher am besten beurteilen könnten, was sie glücklich mache, und er sich als Ehemann nicht eigne, weil er nicht aus den richtigen Verhältnissen stamme und zu arm sei, endlich zu dem Eingeständnis, dass, nun ja, falls die Dame nicht völlig abgeneigt sei, vielleicht… nun ja... mit einem Wort…
»Aye, Sir«, sagte er und schien über seine eigene Kühnheit erschrocken zu sein. »Ja. Sehr!«, platzte er heraus.
»Gut.« Jamie nickte zufrieden. »Dann gehen wir und holen sie.«
Mr. Wemyss stand vor Erstaunen der Mund offen; mir ging es
Weitere Kostenlose Bücher