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Ein Hauch von Schnee und Asche

Ein Hauch von Schnee und Asche

Titel: Ein Hauch von Schnee und Asche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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»Ich könnte Euch alles vergessen lassen – für eine Weile.« Ihre Hand streichelte meine Hüfte, sanft, verführerisch.
    Wenn sie das könnte, dachte ich ironisch, wäre ich womöglich versucht. Doch dieser Weg stand mir nicht offen.
    »Nein«, sagte ich, entschlossener diesmal, drehte mich auf den Rücken und rutschte so weit von ihr fort, wie ich konnte – ungefähr drei Zentimeter. »Ich bedaure – aber nein.«
    Sie schwieg einen Moment, dann seufzte sie schwer.
    »Oh. Nun ja. Vielleicht ja später.«

    »Nein!«
    Die Geräusche in der Küche hatten aufgehört, und Stille legte sich über das Haus. Doch es war nicht die Stille der Berge, jene Wiege aus Zweigen und flüsterndem Wind und der endlosen Tiefe des Sternenhimmels. Es war die Stille einer Stadt, unterbrochen von Rauch und dem dumpfen Glühen der Herdfeuer und Kerzen; angefüllt mit schlummernden Gedanken, die losgelöst von der Vernunft der Wachenden beklommen durch die Dunkelheit streiften.
    »Könnte ich Euch denn festhalten?«, fragte sie sehnsüchtig, und ihre Finger strichen über meinen Hals. »Sonst nichts?«
    »Nein«, sagte ich noch einmal. Doch ich griff nach ihrer Hand und hielt sie fest. Und so schliefen wir ein, mit keusch – und fest – verschlungenen Händen.
     
    Wir wurden von etwas geweckt, das ich zuerst für den Wind hielt, der im Schornstein stöhnte, denn dieser ragte mit der Rückseite in unser Schlupfloch. Doch das Stöhnen wurde lauter, brach in lautes Geschrei aus und hörte dann abrupt auf.
    »Ach du meine Güte!« Sadie Ferguson setzte sich mit großen, blinzelnden Augen hin und tastete nach ihrer Brille. »Was war das denn?«
    »Eine Frau in den Wehen«, sagte ich, da ich dieses Geräuschmuster schon ziemlich oft gehört hatte. Das Stöhnen setzte wieder an. »Und zwar sehr kurz vor dem Ende.« Ich glitt vom Bett und schüttelte meine Schuhe aus, womit ich eine kleine Kakerlake und ein paar Silberfischchen verscheuchte, die in den Schuhspitzen Zuflucht gesucht hatten.
    Fast eine Stunde saßen wir da und lauschten dem Wechsel von Stöhnen und Geschrei.
    »Sollte das nicht aufhören?«, sagte Sadie und schluckte nervös. Sollte das Kind nicht inzwischen geboren sein?«
    »Vielleicht«, sagte ich geistesabwesend. »Manche Babys brauchen länger als andere.« Ich hielt mein Ohr an die Tür gepresst und versuchte auszumachen, was auf der anderen Seite vor sich ging. Die Frau, wer auch immer sie war, war in der Küche, und zwar nicht mehr als drei Meter von mir entfernt. Dann und wann hörte ich Maisie Tollivers Stimme, gedämpft und skeptisch. Meistens allerdings nur das rhythmische Keuchen, Stöhnen und Schreien.
    Noch eine weitere Stunde, und meine Nerven fransten allmählich aus. Sadie lag auf dem Bett und hielt sich das Kissen fest über den Kopf, um den Lärm fern zu halten.
    Genug davon, dachte ich, und als ich das nächste Mal Mrs. Tollivers Stimme hörte, hämmerte ich mit dem Absatz gegen die Tür und rief, so laut ich konnte: »Mrs. Tolliver!«
    Sie hörte mich, und einen Moment später knirschte der Schlüssel im
Schloss, und eine Woge von Licht und Luft fiel in die Zelle. Im ersten Moment blendete mich das Tageslicht, doch dann kniff ich die Augen zusammen und machte die Umrisse einer Frau aus, die auf allen vieren am Herdfeuer kniete und mir das Gesicht zugewandt hatte. Es war eine Schwarze, die in Schweiß gebadet war. Gerade hob sie den Kopf und heulte wie ein Wolf. Mrs. Tolliver fuhr auf, als hätte sie jemand von hinten mit einer Nadel gestochen.
    »Entschuldigung«, sagte ich und schob mich an ihr vorbei. Sie machte keine Anstalten, mich aufzuhalten, und im Vorübergehen fing ich einen kräftigen Schwall von Wacholderbeerduft auf.
    Die schwarze Frau ließ sich keuchend auf die Ellbogen sinken, so dass ihr nackter Hintern in die Luft ragte. Ihr Bauch hing herab wie eine reife Guave, hell getönt durch das schweißdurchtränkte Hemd, das daran klebte.
    In der kurzen Pause vor dem nächsten Schrei stellte ich ihr einige gezielte Fragen und fand heraus, dass dies ihr viertes Kind war und dass sie Wehen hatte, seit ihr in der Nacht die Fruchtblase geplatzt war. Mrs. Tolliver steuerte die Auskunft bei, dass sie ebenfalls eine Gefangene und eine Sklavin war. Das hätte ich angesichts der rötlichen Schwielen auf ihrem Rücken und ihren Pobacken auch erraten können.
    Ansonsten war Mrs. Tolliver nicht besonders hilfreich. Sie stand mit glasigem Blick schwankend über mir, hatte es aber geschafft, mir einen kleinen

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