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Ein Hauch von Schnee und Asche

Ein Hauch von Schnee und Asche

Titel: Ein Hauch von Schnee und Asche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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sich wieder, während sie ihre Röcke glatt strich. »Aber Stephen ist ja auch Ire«, fügte die verständnisvoll hinzu. »Die Iren kommen auf ziemlich
kranke Ideen, vor allem, wenn sie zu viel getrunken haben.« Ihre Zungenspitze kam zum Vorschein und glitt über ihre Unterlippe, um die letzten Spuren von Bonnets Schnaps zu kosten.
    Brianna beugte sich dichter zu ihr herüber und hielt ihr die Hand entgegen.
    »Hier.«
    Hepzibah warf einen Blick auf ihre Hand, dann sah sie noch einmal hin, fasziniert. Der breite Goldring mit dem großen Rubin glitzerte und leuchtete im Schein der Laterne.
    »Den gebe ich Euch«, sagte Brianna und senkte die Stimme, »wenn Ihr etwas für mich tut.«
    Die Hure leckte sich erneut die Lippen, und ihre Miene war plötzlich hellwach.
    »Aye. Was denn?«
    »Meinem Mann eine Nachricht zukommen lassen. Er ist in Edenton bei Reverend McMillan – jeder wird wissen, wo er wohnt. Sagt ihm, wo ich bin, und sagt ihm -« Sie zögerte. Was sollte sie sagen? Es war unmöglich zu sagen, wie lange die Anemone hier bleiben würde oder wohin Bonnet als Nächstes fahren würde. Der einzige Hinweis, den sie hatte, war die Unterhaltung, die sie mit angehört hatte, kurz bevor er hereinkam.
    »Sagt ihm, ich glaube, er hat ein Versteck auf Ocracoke. Er hat vor, sich dort bei Neumond mit jemandem zu treffen. Sagt ihm das.«
    Hepzibah warf einen beklommenen Blick zur Kajütentür, doch diese blieb verschlossen. Dann richtete sie ihn wieder auf den Ring, und der Wunsch, ihn zu besitzen, rang in ihrem Gesicht mit ihrer offensichtlichen Angst vor Bonnet.
    »Er wird es nicht erfahren«, sagte Brianna. »Er bekommt es nicht heraus. Und mein Vater wird Euch belohnen.«
    »Dann ist er reich, Euer Vater?« Brianna sah den spekulierenden Blick der Hure, und für einen Moment schwante ihr nichts Gutes – was, wenn Eppie den Ring einfach nahm und sie an Bonnet verriet? Andererseits hatte sie nicht mehr Geld an sich genommen, als ihr zustand; vielleicht war sie ja so etwas Ähnliches wie ehrlich. Außerdem blieb ihr nichts anderes übrig.
    »Sehr reich«, sagte sie entschlossen. »Sein Name ist Jamie Fraser. Meine Tante ist ebenfalls reich. Sie hat eine Plantage namens River Run in der Nähe von Cross Creek in North Carolina. Fragt nach Mrs. Innes – Jocasta Cameron Innes. Ja, wenn Ihr Ro …, meinen Mann nicht finden könnt, schickt eine Nachricht dorthin.«
    »River Run«, wiederholte Hepzibah gehorsam, ohne die Augen von dem Ring abzuwenden.
    Brianna drehte ihn sich vom Finger und ließ ihn der Hure in die offene Hand fallen, bevor sie es sich anders überlegen konnte. Die Hand der Frau schloss sich fest darum.

    »Der Name meines Vaters ist Jamie Fraser; mein Mann ist Roger MacKenzie«, wiederholte sie. »Bei Reverend McMillan. Könnt Ihr das behalten?«
    »Fraser und MacKenzie«, wiederholte Hepzibah unsicher. »Oh, aye, natürlich.« Sie hatte sich schon zur Tür in Bewegung gesetzt.
    »Bitte«, sagte Brianna flehentlich.
    Die Hure nickte, sah sie dabei aber nicht an, glitt zur Tür hinaus und schloss sie hinter sich.
    Das Schiff ächzte und schwankte, und sie hörte den Wind durch die Bäume am Ufer rattern, lauter als die Rufe der betrunkenen Männer. Jetzt gaben ihre Knie nach, und sie setzte sich auf das Bett, ohne auf die Laken zu achten.
     
    Als die Ebbe einsetzte, brachen sie auf; sie hörte das Rumpeln der Ankerkette und spürte, wie das Schiff zum Leben erwachte, als seine Segel Wind aufnahmen. Sie stand gebannt am Fenster und sah zu, wie Roanokes dunkelgrüne Landmasse kleiner wurde. Vor hundert Jahren waren hier die ersten englischen Kolonisten gelandet – und spurlos verschwunden. Als der Gouverneur der Kolonie mit Ausrüstungsgegenständen aus England zurückkehrte, hatte er niemanden mehr gefunden, und die einzige Spur war das in einem Baumstamm eingeritzte Wort »Croatan« gewesen.
    Sie hinterließ noch viel weniger. Todtraurig sah sie zu, wie die Insel im Meer versank.
    Einige Stunden kam niemand. Dank ihres leeren Magens wurde ihr übel, und sie übergab sich in den Nachttopf. Sie konnte den Gedanken nicht ertragen, sich auf diese widerlichen Laken zu legen, sondern zerrte sie vom Bett, das sie nur mit den Quilts bezog, und legte sich hin.
    Die Fenster waren offen, und die frische Seeluft fuhr ihr durch das Haar und trocknete ihre klamme Haut, so dass sie sich ein wenig besser fühlte. Sie war sich ihrer Gebärmutter beinahe unerträglich bewusst, eines kleinen, empfindlichen Gewichts und

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