Ein Hauch von Schnee und Asche
Zimmermädchen und Knechte waren anderswo beschäftigt.
»Interessiert es uns, ob es jemand bemerkt, a charaid ?«, erkundigte sich Murray und blickte zu MacKenzie auf.
»Eigentlich nicht.« Dennoch setzte sich MacKenzie hin und starrte ihn unergründlich an. »Aber wir können noch etwas warten.« Er sah auf die Standuhr am Kamin, deren Pendel sich mit einem gelassenen Tick-Tack bewegte. »Es dauert nicht mehr lange.«
Erst jetzt stellte sich Forbes die Frage, wo Jamie Fraser war.
Elspeth Forbes schaukelte sanft auf der Veranda des Hauses ihrer Schwester und genoss die kühle Morgenluft, als man ihr einen Besucher ankündigte.
»Oh, Mr. Fraser!«, rief sie aus und setzte sich gerade hin. »Was führt Euch nach Edenton? Ist es Neil, nach dem Ihr sucht? Er ist in -«
»Ah, nein, Mistress Forbes.« Er verbeugte sich tief vor ihr, und die Morgensonne glänzte auf seinem Haar, als sei es aus Bronze. »Ich bin Euretwegen hier.«
»Oh? Oh!« Sie setzte sich auf, strich sich hastig die Toastkrümel vom Ärmel und hoffte, dass ihre Haube gerade saß. »Nun, Sir, was wollt Ihr denn von einer alten Frau?«
Er lächelte – was für ein hübscher Junge er war, so gepflegt in seinem grauen Rock, und dieser Schabernack in seinen Augen – und beugte sich über sie, um ihr ins Ohr zu flüstern.
»Ich bin hier, um Euch zu entführen, Mistress.«
»Och, fort mit Euch!« Sie wedelte lachend mit der Hand, die er ergriff und küsste.
»Ein ›Nein‹ lasse ich nicht gelten«, versicherte er ihr und wies zum Rand der Veranda, wo er einen großen, viel versprechend aussehenden Korb deponiert hatte, der mit einem karierten Tuch zugedeckt war. »Ich habe Lust, auf dem Land zu Mittag zu essen, unter einem Baum. Ich weiß auch schon genau, welcher Baum – ein Prachtexemplar -, aber es wäre doch schade, dabei keine Gesellschaft zu haben.«
»Aber Ihr könnt doch gewiss bessere Gesellschaft finden als mich, Junge«, sagte sie, durch und durch bezaubert. »Und wo ist Eure Frau?«
»Ah, sie hat mich verlassen«, sagte er mit gespieltem Schmerz. »Da stehe ich und habe das schönste Picknick geplant, und sie ist auf und davon zu einer Geburt. Also habe ich mir gesagt, nun, Jamie, es wäre doch eine Schande, eine solches Festmahl zu verschwenden – wer könnte es wohl mit dir teilen? Und was sehe ich als Nächstes? Euch. Es war die Antwort auf ein Gebet; Ihr wollt Euch doch sicher der göttlichen Fügung nicht entgegenstellen, Mistress Forbes?«
»Hmpf«, sagte sie und gab sich Mühe, ihn nicht anzulachen. »Oh, nun ja. Wenn es um Verschwendung geht -«
Ehe sie noch etwas sagen konnte, hatte er sich gebückt, um sie aus dem Sessel zu heben, und nahm sie auf die Arme. Sie juchzte überrascht auf.
»Wenn es eine richtige Entführung ist, muss ich Euch davontragen, aye?«, sagte er und lächelte zu ihr nieder.
Zu ihrer Blamage konnte man das Geräusch, das sie machte, nur als Kichern bezeichnen. Doch das schien ihm nichts auszumachen. Er bückte sich, um den Korb in seine kräftige Hand zu nehmen, und trug sie wie ein Häufchen Distelwolle zu seiner Kutsche hinaus.
»Ihr könnt mich hier nicht festhalten! Lasst mich gehen, sonst rufe ich um Hilfe!«
Sie hielten ihn jetzt schon seit über einer Stunde fest und vereitelten all seine Versuche, aufzustehen und zu gehen. Doch er hatte Recht, dachte Roger; draußen auf der Straße nahm der Verkehr zu, und er konnte hören – genau wie Forbes -, wie eine Dienstmagd im Nebenzimmer die Tische deckte.
Er sah Ian an. Sie hatten es durchgesprochen; wenn sie innerhalb einer Stunde nichts hörten, würden sie versuchen müssen, Forbes aus dem Wirtshaus zu entfernen und ihn an einen zurückgezogeneren Ort zu bringen. Das konnte knifflig werden; der Anwalt war zwar eingeschüchtert, aber stur wie ein Esel. Und er würde um Hilfe rufen.
Ian spitzte nachdenklich die Lippen und fuhr mit dem Messer, mit dem er gespielt hatte, an seiner Hose entlang, um die Klinge zu polieren.
»Mr. MacKenzie?« Ein schmutziger kleiner Junge mit einem runden Gesicht war plötzlich neben ihm aufgetaucht.
»Das bin ich«, sagte er, und eine Woge der Dankbarkeit durchspülte ihn. »Hast du etwas für mich?«
»Aye, Sir.« Der Bengel reichte ihm ein kleines Papierknäuel, nahm eine Münze entgegen und war fort, obwohl Forbes »Warte, Junge!« rief.
Der Anwalt hatte sich aufgeregt halb von seinem Stuhl erhoben. Doch Roger machte eine abrupte Bewegung in seine Richtung, und er sank sofort zurück, um nicht
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