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Ein Hauch von Schnee und Asche

Ein Hauch von Schnee und Asche

Titel: Ein Hauch von Schnee und Asche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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verkünden, dass das Essen auf dem Tisch stand, und ich kam nicht dazu, ihn zu fragen, was er mit dieser Bemerkung meinte.
     
    Ich drückte die Kompresse mit Zaubernuss und Piment aus und legte sie Jocasta sanft über die Augen. Gegen die Schmerzen hatte ich ihr schon Weidenrindentee gegeben, und die Kompresse konnte nichts an dem Glaukom ändern – doch sie würde ihr zumindest ein wenig gut tun, und es war sowohl für den Patienten als auch für den Arzt eine Erleichterung, irgendetwas anbieten zu können, und wenn es nur einen Hauch von Linderung brachte.
    »Würdest du einen Blick in meine Satteltaschen werfen, Claire?«, fragte sie und reckte sich ein wenig, um sich bequemer hinzulegen. »Es ist eine kleine Packung mit einem Kraut darin, das dich vielleicht interessiert.«
    Ich fand es sofort – mit dem Geruchssinn.
    »Woher in aller Welt habt Ihr das?«, fragte ich halb belustigt.
    »Farquard Campbell«, erwiderte sie ungerührt. »Als du mir gesagt hast, was mit meinen Augen ist, habe ich Fentiman gefragt, ob ihm etwas bekannt sei, was helfen könnte, und er hat mir gesagt, er habe irgendwo gehört, dass Hanf vielleicht helfen könne. Farquard Campbell baut ein Feld damit an, also habe ich mir gedacht, ich könnte es genauso gut versuchen. Würdest du es mir bitte in die Hand geben, Nichte?«
    Fasziniert legte ich den Hanf und den kleinen Stapel Papierblättchen neben ihr auf den Tisch und führte ihre Hand dorthin. Vorsichtig, damit die Kompresse nicht herunterfiel, drehte sie sich zur Seite, nahm etwas von dem duftenden Kraut zwischen zwei Finger, streute es in die Mitte des Blättchens und rollte sich einen Joint, wie ich ihn in Boston auch nicht besser gesehen hatte.
    Kommentarlos hielt ich ihr die Kerzenflamme hin, um ihn anzuzünden, und sie ließ sich auf das Kissen zurücksinken und zog den Rauch mit geweiteten Nasenlöchern tief ein.
    Sie rauchte eine Weile wortlos vor sich hin, und ich beschäftigte mich damit aufzuräumen. Ich wollte sie nicht allein lassen, weil ich befürchtete, dass sie einschlafen und das Bett anzünden könnte – sie war unübersehbar erschöpft und entspannte sich mit jeder Minute mehr.

    Der durchdringende, berauschende Geruch des Rauchs brachte mir sofort bruchstückhafte Erinnerungen zurück. Mehrere der jüngeren Medizinstudenten hatten am Wochenende Hasch geraucht und brachten den Geruch an den Kleidern mit ins Krankenhaus. Manchmal rochen die Leute, die in die Notaufnahme kamen, danach. Hin und wieder hatte ich einen schwachen Hauch davon an Brianna wahrgenommen – aber nie Fragen gestellt.
    Ich hatte es selbst nie ausprobiert, empfand den Duft des Rauchs jetzt aber als sehr beruhigend. Viel zu beruhigend, so dass ich mich ans Fenster setzte, das einen Spalt offen stand, um frische Luft einzulassen.
    Es hatte den ganzen Tag über immer wieder geregnet, und die Luft, die mir angenehm kalt ins Gesicht wehte, war von kräftigem Ozon- und Harzgeruch erfüllt.
    »Du weißt es, oder?« Jocastas Stimme erklang leise hinter mir. Ich sah mich um; sie hatte sich nicht bewegt, sondern lag wie eine Grabfigur kerzengerade auf dem Bett. Die Kompresse auf ihren Augen ließ sie wie das Ebenbild der Justitia aussehen – welche Ironie, dachte ich.
    »Ich weiß«, sagte ich im selben ruhigen Ton. »Es war aber nicht besonders fair Duncan gegenüber, oder?«
    »Nein.« Das Wort driftete beinahe tonlos mit dem Rauch aus ihrem Mund. Sie hob träge die Zigarette und nahm einen Zug, so dass das Ende rot aufglühte. Ich ließ sie nicht aus den Augen, doch sie schien ein Gespür für die Asche zu haben, die sie dann und wann in das Tellerchen am Fuß des Kerzenständers tippte.
    »Er weiß es auch«, sagte sie fast beiläufig. »Das mit Phaedre. Irgendwann habe ich es ihm erzählt, damit er aufhörte, nach ihr zu suchen. Ich bin mir sicher, dass er das mit Ulysses ebenfalls weiß – aber er spricht nicht darüber.«
    Sie streckte zielsicher die Hand aus und tippte die Asche von ihrem Joint.
    »Ich habe ihm gesagt, ich würde es ihm nicht übel nehmen, wenn er mich verlässt.« Ihre Stimme war sehr leise und beinahe ausdruckslos. »Er hat geweint, aber dann hat er aufgehört und zu mir gesagt, er hätte gesagt, ›In guten wie in schlechten Zeiten‹ – und ich doch auch, oder etwa nicht? Ich habe Ja gesagt, und er sagte, ›Na also‹. Und hier sind wir nun.« Sie zuckte sacht mit den Achseln, legte sich bequemer zurecht und rauchte schweigend weiter.
    Ich wandte mich wieder dem Fenster

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