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Ein Hauch von Schnee und Asche

Ein Hauch von Schnee und Asche

Titel: Ein Hauch von Schnee und Asche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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dass sein Gegenüber versuchte, ihn zu täuschen – und darin war der Mann weiß Gott gut, dachte er zynisch.
    Schließlich hob Ulysses seine breiten Schultern und ließ sie hilflos wieder sinken.
    »Ich kann nicht beweisen, dass ich es nicht war«, sagte er. »Ich kann Euch nur mein Ehrenwort anbieten – doch so etwas wie Ehre steht mir ja nicht zu.« Zum ersten Mal klang Bitterkeit in seiner Stimme mit.
    Jamie fühlte sich plötzlich furchtbar müde. Die Pferde und Maultiere dösten längst wieder vor sich hin, und er wünschte sich nichts so sehr wie sein eigenes Bett und seine Frau an seiner Seite. Er wollte auch, dass Ulysses fort war, bevor Duncan seine Perfidität herausfand. Und Ulysses war zwar der offensichtlichste Kandidat für den Diebstahl des Goldes, doch das änderte nichts daran, dass er es in den letzten zwanzig Jahren jederzeit unter sehr viel weniger Gefahr hätte an sich nehmen können. Warum jetzt?
    »Schwörst du beim Leben meiner Tante?«, fragte er abrupt. Ulysses’ Augen glitzerten scharf und reglos im Laternenschein.
    »Ja«, sagte er schließlich leise. »Das tue ich.«
    Jamie war im Begriff, ihn zu entlassen, als ihm ein letzter Gedanke kam.
    »Hast du Kinder?«, fragte er.
    Unentschlossenheit überzog das gemeißelte Gesicht; Überraschung und Argwohn, vermischt mit etwas anderem.
    »Keine, die ich als die meinen in Anspruch nehmen würde«, sagte er schließlich, und Jamie sah, was es war – Verachtung gemischt mit Scham. Sein Kiefer spannte sich an, und sein Kinn hob sich ein wenig. »Warum fragt Ihr mich das?«
    Jamie sah ihn einen Moment an und dachte an Brianna, in der ein Kind heranwuchs.
    »Weil«, sagte er schließlich, »es einzig die Hoffnung auf eine bessere Welt für meine Kinder und Kindeskinder ist, die mir den Mut verleiht zu tun, was hier getan werden muss.« Ulysses’ Gesicht hatte jeden Ausdruck verloren; es glänzte dunkel und reglos im Schein der Laterne.
    »Wenn man in der Zukunft nichts zu verlieren hat, hat man auch keinen Grund, dafür zu leiden. Wenn man aber Kinder hat -«
    »Sie sind Sklaven, Kinder von Sklavinnen. Was könnten sie mir bedeuten?« Ulysses hatte die Hände zu Fäusten geballt und hielt sie an seine Oberschenkel gedrückt.
    »Dann geh«, sagte Jamie leise. Er trat beiseite und wies mit dem Lauf der Pistole zum Tor. »Stirb wenigstens als freier Mann.«

111
    Der einundzwanzigste Januar
    21. Januar 1776
     
    Der 21. Januar war der kälteste Tag des Jahres. Ein paar Tage zuvor war Schnee gefallen, doch jetzt war die Luft wie geschliffenes Kristall, der Himmel im Morgengrauen so blass, dass er weiß war, und der feste Schnee zirpte unter unseren Füßen wie Grillen. Schnee, schneeverhüllte Bäume, die Eiszapfen, die an den Traufen des Hauses hingen – die ganze Welt schien blau vor Kälte zu sein. Am Abend zuvor hatten wir sämtliche Tiere in den Stall oder die Scheune gebracht, mit Ausnahme der weißen Sau, die unter dem Haus in den Winterschlaf gefallen zu sein schien.
    Ich blinzelte argwöhnisch auf das kleine geschmolzene Loch in der Schneekruste, das den Eingang der Sau markierte; innen war lang gezogenes, rasselndes Schnarchen zu hören, und das Loch strahlte eine schwache Wärme aus.
    »Komm, mo nighean . Das Vieh würde es doch nicht einmal merken, wenn das Haus über ihm zusammenfällt.« Jamie kam vom Stall, wo er die Tiere gefüttert hatte, und stand ungeduldig hinter mir. Er rieb sich die Hände in den blauen Handschuhen, die Brianna für ihn gestrickt hatte.
    »Was, nicht einmal, wenn es in Flammen stünde?«, sagte ich und musste dabei an Charles Lambs »Essay über den Schweinebraten« denken. Doch ich machte gehorsam kehrt, um ihm über den ausgetretenen Fußweg am Haus vorbei zu folgen und dann langsam, weil ich ständig auf vereisten Stellen ausrutschte, über die große Lichtung auf Briannas und Rogers Hütte zu.
    »Bist du sicher, dass das Herdfeuer aus ist?«, fragte Jamie zum dritten Mal. Sein Atem schwebte wie ein Schleier um seinen Kopf, als er sich nach mir umsah. Er hatte seine Wollmütze auf der Jagd verloren und hatte sich stattdessen einen weißen Wollschal um die Ohren gewickelt und oben auf dem Kopf verknotet, so dass die langen Enden auf und ab hüpften und ihm das absurde Aussehen eines Riesenkaninchens verliehen.
    »Ja«, versicherte ich ihm und unterdrückte das Bedürfnis, über seinen Anblick zu lachen. Seine lange Nase war rot vor Kälte und zuckte argwöhnisch, und ich vergrub meinerseits die Nase in

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