Ein Hauch von Schnee und Asche
leisen Stich der Zärtlichkeit.
»Nein«, sagte er so sanft, wie es die Umstände erlaubten. »Hört zu, meine Liebe. Ich habe Euch doch gesagt, wer William ist – oder wer er zu sein glaubt.«
»Der Vicomte Vonundzu, meint Ihr?«
Er seufzte tief.
»Genau. Die fünf Menschen, die seine wahre Herkunft kennen, haben in den letzten achtzehn Jahren beträchtliche Anstrengungen unternommen, damit niemand – William eingeschlossen – jemals Grund bekommt zu bezweifeln, dass er der Neunte Graf von Ellesmere ist.«
Bei diesen Worten blickte sie zu Boden, die Stirn gerunzelt, die Lippen fest zusammengepresst. Himmel, er hoffte, dass es ihrem Mann gelungen war, Jamie Fraser rechtzeitig ausfindig zu machen. Jamie Fraser war der einzige Mensch, der seine Tochter noch an Sturheit übertraf.
»Ihr versteht mich nicht«, sagte sie schließlich. Sie musterte ihn, und er merkte, dass sie sich zu einem Entschluss durchgerungen hatte.
»Wir gehen«, erklärte sie abrupt. »Roger und ich und die – die Kinder.«
»Oh?«, sagte er vorsichtig. Das konnte eine gute Nachricht sein – in mehrerlei Hinsicht. »Wohin wollt Ihr denn? Zieht Ihr Euch nach England zurück? Oder nach Schottland? Wenn es England ist oder Kanada, habe ich einige gesellschaftliche Verbindungen, die vielleicht -«
»Nein. Nicht dorthin. Wir gehen nirgendwo hin, wo Ihr ›Verbindungen‹ habt.« Sie lächelte ihn schmerzlich an und schluckte, bevor sie fortfuhr.
»Aber, seht Ihr – wir werden fort sein. Für – für immer. Wir werden – ich glaube nicht, dass wir uns je wiedersehen werden.« Diese Erkenntnis war ihr gerade erst gekommen; das sah er ihrem Gesicht an, und obwohl es ihn heftig schmerzte, rührte ihn ihre offensichtliche Bestürzung über diese Vorstellung zutiefst.
»Ich werde Euch sehr vermissen, Brianna«, sagte er sanft. Er war einen Großteil seines Lebens Soldat gewesen und dann Diplomat. Er hatte gelernt, mit Trennung und Fernsein zu leben, mit dem gelegentlichen Tod zurückgelassener Freunde. Doch die Vorstellung, diese seltsame junge Frau nie wiederzusehen, erfüllte ihn mit einem unerwarteten Maß an Trauer. Fast so, dachte er überrascht, als wäre sie seine eigene Tochter.
Doch er hatte ja einen Sohn, und bei ihren nächsten Worten wurde er abrupt wieder hellwach.
»Ihr seht also«, sagte sie und beugte sich so gebannt zu ihm hinüber, dass er unter anderen Umständen bezaubert gewesen wäre. »Ich muss mit William sprechen und es ihm sagen. Es wird unsere einzige Gelegenheit sein.« Dann veränderte sich ihr Gesicht, und sie legte eine Hand an ihre Brust.
»Ich muss gehen«, sagte sie abrupt. »Mandy – Amanda, meine Tochter – ich muss sie füttern.«
Und damit war sie auf und davon, um wie eine drohende Sturmwolke über den Sand der Rennbahn zu huschen, die Zerstörung und Aufruhr nach sich zog.
117
Gutes und Barmherzigkeit werden mir folgen mein Leben lang
10. Juli 1776
Die Flut begann kurz vor fünf Uhr morgens. Es war taghell, der Himmel blassblau und wolkenlos, und die Schlammbänke erstreckten sich grau und glänzend jenseits des Kais. Hier und dort wurde ihre glatte Oberfläche von Stauden und hartnäckigem Seegras durchbrochen, das aus dem Schlamm spross wie Haarbüschel.
Alle Welt stand in der Dämmerung auf; auf dem Kai scharten sich die Leute, die die kleine Prozession beobachteten, zwei Offiziere des Wilmingtoner Komitees für die Sicherheit, ein Vertreter der Kaufmannsvereinigung, ein Pastor, der eine Bibel trug, und der Gefangene, eine hoch gewachsene, breitschultrige Gestalt, die entblößten Hauptes über den stinkenden Schlamm schritt. Hinter ihnen kam ein Sklave, der die Stricke trug.
»Ich möchte mir das nicht ansehen«, sagte Brianna leise. Sie war sehr blass und hatte die Arme vor der Taille verschränkt, als hätte sie Bauchschmerzen.
»Dann lass uns gehen.« Roger nahm ihren Arm, doch sie zog ihn in die andere Richtung.
»Nein. Ich muss.«
Sie ließ die Arme sinken, richtete sich auf und sah hin. Die Leute ringsum rangelten sich um die besten Plätze und grölten so laut, dass, was auch immer dort draußen gesagt wurde, nicht zu verstehen war. Es dauerte nicht lange. Der Sklave, ein kräftiger Mann, packte den Anlegepfosten und rüttelte daran, um seine Standfestigkeit zu prüfen. Dann trat er zurück, während die beiden Offiziere Stephen Bonnet mit dem Rücken an den Pfahl stellten und seinen Körper von der Brust bis zu den Knien mit dem Seil umwickelten. Es gab kein Entrinnen
Weitere Kostenlose Bücher