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Ein Hauch von Schnee und Asche

Ein Hauch von Schnee und Asche

Titel: Ein Hauch von Schnee und Asche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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für den Schuft.
    Roger hatte das Gefühl, dass er in seiner Seele nach Mitleid forschen, für den Mann beten sollte. Er konnte es nicht. Versuchte es mit Vergebung, doch das konnte er auch nicht. Etwas wie ein Knäuel Würmer wand sich in seinem Bauch. Er fühlte sich, als sei er selbst an einen Pfahl gefesselt und warte auf das Ertrinken.
    Der Pastor mit dem schwarzen Rock beugte sich zu Bonnet hinüber. Sein Haar wehte im frühen Morgenwind, sein Mund bewegte sich. Roger glaubte nicht, dass Bonnet eine Antwort gab, konnte es aber nicht mit Sicherheit sagen. Kurz darauf zogen die Männer ihre Hüte aus, standen da,
während der Pastor betete, dann setzten sie sie wieder auf und kamen zum Ufer zurück. Ihre glucksenden Schuhe versanken knöcheltief im sandigen Schlamm.
    Sobald die Würdenträger verschwunden waren, ergoss sich ein Strom von Menschen über den Schlamm – Schaulustige, hüpfende Kinder und ein Mann mit Notizbuch und Stift, in dem Roger Amos Crupp erkannte, den Inhaber der Wilmington Gazette .
    »Na, das wird ja sicher ein Knüller, nicht wahr?«, murmelte Roger. Ganz gleich, was Bonnet tatsächlich sagte – oder auch nicht -, morgen würde garantiert eine Flugschrift die Runde machen, die entweder ein reißerisches Geständnis oder rührselige Ausdrücke des Bedauerns enthielt – vielleicht ja auch beides.
    »Okay, ich kann das wirklich nicht mit ansehen.« Brianna wandte sich abrupt ab und nahm seinen Arm. Sie schaffte es noch an der Zeile der Lagerhäuser vorbei, bevor sie sich vor ihn stellte, ihr Gesicht an seiner Brust vergrub und in Tränen ausbrach.
    »Schsch. Schon gut – es wird alles gut.« Er klopfte ihr auf den Rücken und versuchte, seinen Worten Überzeugungskraft zu verleihen, doch er hatte selbst einen Kloß von der Größe einer Zitrone im Hals. Schließlich nahm er sie bei den Schultern und hielt sie ein Stück von sich fort, so dass er ihr in die Augen sehen konnte.
    »Du brauchst es nicht zu tun«, sagte er.
    Sie hörte auf zu weinen, zog die Nase hoch und wischte sie sich wie Jemmy am Ärmel ab – wich aber seinem Blick aus.
    »Es ist – es geht schon. Es ist nicht einmal seinetwegen. Es ist nur – einfach alles. M-mandy -«, ihre Stimme schwankte bei diesem Wort, »- und die Begegnung mit meinem Burder … Oh, Roger, wenn ich es ihm nicht sagen kann, wird er es nie erfahren, und ich werde ihn und Lord John nie wieder sehen. Oder Mama -« Sie wurde erneut von Tränen überwältigt, die in ihren Augen aufstiegen, doch sie schluckte krampfhaft und zwang sie wieder hinunter.
    »Es ist nicht seinetwegen«, sagte sie mit erstickter, erschöpfter Stimme.
    »Vielleicht«, sagte er leise. »Aber du brauchst es trotzdem nicht zu tun.« Sein Magen wand sich immer noch, und seine Hände fühlten sich zittrig an, aber er war von Entschlossenheit erfüllt.
    »Ich hätte ihn auf Ocracoke töten sollen«, sagte sie. Sie schloss die Augen und strich sich ein paar lose Haarsträhnen aus dem Gesicht. Die Sonne stand jetzt höher am Himmel und brannte hell. »Ich war zu feige. Ich d-dachte, es würde einfacher sein, es vom – vom Gesetz erledigen zu lassen.« Sie öffnete die Augen, und jetzt sah sie ihn an. Ihre Augen waren gerötet, aber klar. »Ich könnte nicht zulassen, dass es so geschieht, selbst wenn ich es nicht geschworen hätte.«
    Das konnte Roger verstehen; er konnte den Schrecken der herannahenden
Flut spüren, deren Wasser an seinen Knochen unausweichlich stieg. Es würde mindestens neun Stunden dauern, bis das Wasser Bonnet bis ans Kinn reichte; er war ein hoch gewachsener Mann.
    »Ich werde es tun«, sagte er fest entschlossen.
    Sie versuchte schwach zu lächeln, gab es dann aber auf.
    »Nein«, sagte sie. »Das wirst du nicht.« Sie klang zu Tode erschöpft und sah genauso aus; keiner von ihnen hatte letzte Nacht viel geschlafen. Doch sie klang ebenso entschlossen, und er erkannte Jamie Frasers stures Erbe.
    Nun, zum Teufel, er trug dieses Erbe auch in sich.
    »Ich habe es dir schon einmal erzählt«, erwiderte er. »Was dein Vater damals gesagt hat. Ich bin es, der für sie tötet. Wenn es jemand tun muss -«, und er pflichtete ihr insgeheim bei; er konnte es ebenfalls nicht ertragen, »- dann tue ich es.«
    Sie bekam sich jetzt wieder in den Griff. Sie wischte sich mit dem Rocksaum über das Gesicht und holte tief Luft, bevor sie ihn wieder ansah. Die Farbe ihrer Augen war ein tiefes, lebhaftes Blau, viel dunkler als der Himmel.
    »Du hast es mir erzählt. Und du hast mir

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