Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ein Hauch von Schnee und Asche

Ein Hauch von Schnee und Asche

Titel: Ein Hauch von Schnee und Asche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
Vom Netzwerk:
und sie sucht auch niemanden«, sagte er und legte so viel Überzeugung in seine Stimme, wie er zuwege brachte. »Ihre Seele ist bei Jesus im Himmel, wo sie glücklich ist und ihren Frieden hat, und ihr Körper… Nun ja, wenn jemand stirbt, braucht er seinen Körper nicht mehr, also begraben wir ihn, und er bleibt schön in seinem Grab bis zum Jüngsten Tag.«
    Aidan sah alles andere als überzeugt aus.
    »Joey McLaughlin hat sie Freitag vor zwei Wochen gesehen«, behauptete er und wackelte auf den Zehen auf und ab. »Sie ist ganz in Schwarz durch den Wald gerannt, sagt er – und hat schaurig geheult.«
    Jemmy sah allmählich wirklich verstört aus. Roger legte den Spaten hin und nahm ihn in den Arm.

    »Joey McLaughlin hatte vermutlich zu viel getrunken«, sagte er. Beide Jungen wussten sehr gut, was es heißt, betrunken zu sein. »Wenn jemand heulend durch den Wald gerannt ist, hat er wahrscheinlich Rollo gesehen. Kommt jetzt mit, wir suchen Bobby, und dann könnt ihr euch Malvas Grab selbst ansehen.«
    Er hielt Aidan die Hand hin, die der Junge mit Freuden ergriff, um dann den ganzen Weg bergauf zu plappern wie eine Elster.
    Was würde Aidan tun, wenn er ging?, fragte er sich. Die Vorstellung, dass sie gehen würden, zuerst so abrupt, dass sie ihm völlig unwirklich erschienen war, begann jetzt, ihm mit jedem Tag mehr ins Bewusstsein zu sickern. Während er seine Arbeit verrichtete, die Gräben für Briannas Wasserleitungen aushob, Heu schleppte und Holz hackte, versuchte er zu denken – nicht mehr lange. Und doch schien es unmöglich zu sein, dass er eines Tages nicht mehr in Fraser’s Ridge sein würde, nicht die Tür aufdrücken und Brianna bei einem höllischen Experiment am Küchentisch vorfinden würde, während ihr Jem und Aidan wild um die Füße brummten.
    Dieses Gefühl der Unwirklichkeit wurde noch deutlicher, wenn er sonntags predigte oder als Pastor – wenn auch ohne Brief und Siegel – die Runde machte, um die Kranken zu besuchen oder Rat zu spenden. Wenn er in all diese Gesichter blickte – aufmerksam, aufgeregt, gelangweilt, schlecht gelaunt oder geistesabwesend -, konnte er nicht glauben, dass er sie alle schändlich im Stich lassen würde. Wie würde er es ihnen sagen?, fragte er sich mit etwas, das an Angst grenzte. Vor allem denjenigen, für die er sich am meisten verantwortlich fühlte – Aidan und seiner Mutter.
    Er hatte um Kraft und Rat gebeten.
    Und doch… doch trug er das Bild von Amandas winzigen blauen Fingernägeln, dem schwachen Keuchen ihres Atems, ununterbrochen mit sich. Und die Steine, die an dem Bach auf Ocracoke aufragten, schienen näher zu kommen und jeden Tag fassbarer zu werden.
    Bobby Higgins war tatsächlich auf dem Friedhof und hatte sein Pferd unter den Kiefern angebunden. Er saß mit nachdenklich gesenktem Kopf an Malvas Grab, blickte aber sofort auf, als Roger und die Jungen auftauchten. Er sah bleich und ernst aus, rappelte sich aber hoch und schüttelte Roger die Hand.
    »Es freut mich, Euch wieder zu sehen, Bobby. Ihr zwei, geht doch spielen, aye?« Er stellte Jemmy auf den Boden und war froh zu sehen, dass er nach einem argwöhnischen Blick auf Malvas Grab – das mit einem verwelkten Wildblumensträußchen verziert war – fröhlich mit Aidan in den Wald lief, um den Eichhörnchen und Erdmännchen nachzujagen.
    »Ich – äh – hatte nicht gedacht, dass ich Euch noch einmal wiedersehen würde«, fügte er etwas umständlich hinzu. Bobby senkte den Kopf und strich sich langsam die Kiefernnadeln von der Hose.

    »Nun ja, Sir … die Sache ist so, dass ich gern bleiben würde. Falls Ihr damit einverstanden seid«, fügte er hastig hinzu.
    »Bleiben? Aber – aber natürlich geht das«, sagte Roger, als er sich von seiner Überraschung erholte. »Habt Ihr – das heißt – Ihr habt Euch doch nicht mit Seiner Lordschaft überworfen, hoffe ich?«
    Bobby zog ein erstauntes Gesicht über diese Vorstellung und schüttelte entschieden den Kopf.
    »O nein, Sir! Seine Lordschaft ist stets gütig zu mir gewesen, seit er mich aufgenommen hat.« Er zögerte und biss sich auf die Unterlippe. »Es ist nur – nun, seht Ihr, es gehen immer mehr Leute bei Seiner Lordschaft ein und aus. Politiker und – und Armeeoffiziere.«
    Er berührte unwillkürlich den Brand auf seiner Wange, der zu einer rosafarbenen Narbe verblasst war, aber nach wie vor deutlich zu sehen war – und es ewig bleiben würde. Roger verstand.
    »Dann habt Ihr Euch dort nicht mehr wohl

Weitere Kostenlose Bücher