Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ein Hauch von Schnee und Asche

Ein Hauch von Schnee und Asche

Titel: Ein Hauch von Schnee und Asche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
Vom Netzwerk:
war. Selbst in entspanntem Zustand war es hart, der lange, gefurchte Muskel elegant geschwungen unter meinen Fingern.
    »Ich bin doch hier«, sagte ich, und er legte den Arm plötzlich fester um mich.
    Ich hörte, wie er die Luft anhielt, und drückte meine Hand fester auf sein Bein.
    »Was ist denn?«, fragte ich.
    Er holte Luft, antwortete aber nicht sofort. Ich spürte, wie er ein Stückchen zurückwich und unter dem Kissen nach etwas suchte. Dann tauchte seine Hand wieder auf, steuerte diesmal aber die meine an, die auf seinem Bein lag. Seine Finger verschränkten sich mit den meinen, und ich spürte, wie er mir einen kleinen, rundlichen Gegenstand in die Hand drückte.
    Ich hörte ihn schlucken.
    Der Stein, egal was es war, fühlte sich ganz schwach warm an. Ich fuhr langsam mit dem Daumen darüber; es war ein ungeschliffener Stein, aber groß, so groß wie eines meiner Fingerglieder.
    »Jamie …«, sagte ich und spürte, wie es mir die Kehle zuschnürte.
    Ich lag einen Moment still und spürte, wie der Stein in meiner Handfläche wärmer wurde. Es war doch wohl nur meine Einbildung, die ihn im
Rhythmus meines Herzens zu pulsieren lassen schien? Woher in aller Welt hatte er ihn?
    Dann bewegte ich mich – nicht plötzlich, aber gezielt, und löste mich langsam von ihm. Ich erhob mich mit einem leisen Schwindelgefühl und durchquerte das Zimmer. Öffnete das Fenster, um die scharfe Berührung des Herbstwindes auf meiner nackten, bettwarmen Haut zu spüren, holte mit dem Arm aus und schleuderte den kleinen Gegenstand in die Nacht hinaus.
    Dann kehrte ich zum Bett zurück und sah sein Haar als dunkle Masse auf dem Kissen, während seine Augen im Mondschein glänzten.
    »Ich liebe dich«, flüsterte ich und glitt neben ihm unter das Laken, legte die Arme um ihn und hielt ihn fest, wärmer als der Stein – so viel wärmer -, und sein Herz schlug gemeinsam mit dem meinen.
    »Ich bin nicht mehr so mutig, wie ich es einmal war, weißt du?«, sagte er leise. »Nicht mehr mutig genug, um ohne dich zu leben.«
    Aber mutig genug, um es zu versuchen.
    Ich zog seinen Kopf an mich und streichelte sein wirres Haar, drahtig und glatt zugleich, lebendig unter meinen Fingern.
    »Leg den Kopf an meine Schulter, Mann«, sagte ich leise. »Es ist noch lange hin bis zur Dämmerung.«

120
    Ginge es nur um mich selbst …
    Der Himmel war farblos und bleiern und drohte mit Regen, und der Wind rauschte durch die Palmen und ließ ihre Wedel klappern wie Säbel. In den Tiefen des Küstenwaldes ragten die vier Steine am Ufer des Baches auf.
    »Ich bin die Frau des Herrn von Balnain«, flüsterte Brianna an meiner Seite. »Wurd’ wieder gestohlen von den Feen.« Ihre Lippen waren kreidebleich, und sie hielt Amanda fest an ihre Brust geklammert.
    Wir hatten uns verabschiedet – eigentlich, so dachte ich, schon seit dem Tag, an dem ich Amanda das Stethoskop auf das Herz gelegt hatte. Dennoch machte Brianna kehrt und warf sich Jamie mitsamt dem Baby an den Hals, und er drückte sie so fest an sein Herz, dass ich glaubte, einer von ihnen müsste zerbrechen.
    Dann lief sie auf mich zu, eine Wolke aus Umhang und losem Haar, und ihr Gesicht legte sich kalt an das meine, so dass sich ihre und meine Tränen auf meiner Haut vermischten.
    »Ich liebe dich, Mama! Ich liebe dich!«, sagte sie verzweifelt, dann machte sie kehrt, und ohne sich noch einmal umzusehen, begann sie mit der
Schrittfolge, die Donner uns beschrieben hatte, und sang dabei leise vor sich hin. Einen Kreis nach rechts zwischen zwei Steinen hindurch, einen nach links und wieder durch die Mitte – und dann links am größten der Steine vorbei.
    Ich hatte damit gerechnet; als sie mit den Schritten begann, war ich von den Steinen weggerannt und hatte erst angehalten, als ich mich in sicherem Abstand wähnte. Falsch gedacht. Ihr Klang – ein Dröhnen diesmal, kein Schrei – durchfuhr mich donnernd, so dass meine Atmung anhielt und fast mein Herz. Schmerz legte sich als eisiger Ring um meine Brust, und ich sank schwankend und hilflos auf die Knie.
    Sie waren fort. Ich konnte beobachten, wie Jamie und Roger hinrannten, um nachzusehen – voller Angst, dass sie Leichen finden würden, und zugleich bestürzt und froh, weil sie keine fanden. Ich konnte nicht gut sehen – mein Gesichtsfeld flackerte und verschwamm -, doch ich brauchte es auch nicht. Ich wusste, dass sie fort waren, weil ich ein Loch im Herzen hatte.
     
    »Das waren die ersten zwei«, flüsterte Roger. Seine Stimme war

Weitere Kostenlose Bücher