Ein Hauch von Seele
für Jerry um Leben oder Tod gehen würde …
Ein bisschen vielleicht. Aber doch nicht so viel! Der Kerl weiß eben nicht, wie es sich anfühlt, zu wenig Seele zu haben. Zu viel zum Leben, zu wenig zum Sterben, wie man so unschön sagt.
„Jerry, du weißt ja noch nicht einmal, ob ich überhaupt bis zur Brücke komme. Und wenn, ob ich dann auch zurückkehre. Ob die Engel vielleicht deine Seelenhälfte als Pfand behalten. Wie gefährlich ist das für ihn, Groshphank? Könnte er mit einer halben Seele überleben?“
„Entspann dich, süßes Herzchen.“ Groshphank mümmelte zufrieden seinen Ingwerkuchen, beziehungsweise Ingwermuffin. Mrs. Summerhill hatte extra für ihn Muffins gebacken und von ihrer Enkelin Puppengeschirr geholt, das genau für die Klauen des kleinen Dämons passend war. Die Gute schien ihn spontan ins Herz geschlossen zu haben. Es wirkte ein wenig grotesk, die weiße, mit Blümchen bemalte Plastiktasse in der Hand eines solch hässlichen Geschöpfs zu sehen, zumal Groshphank versuchte, sehr gesittet seinen schwarzen Tee zu schlürfen, ohne versehentlich in die Tasse zu beißen. Es müsste bereits auf Dinnerzeit zugehen, was zeigte, dass Jeremys Personal an Katastrophen gewöhnt war – welcher Butler würde sonst um diese Uhrzeit Tee servieren?
„Ich meine es ernst, du warziges Mini-Ungeheuer. Er ist ein Mensch, kann er dauerhaft mit einer halben Seele existieren, ohne zum Dämon zu werden?“
„Herzchen, unser Jeremy würde für ein paar Tage ein wenig gefühlskalt wirken. Keine Kullertränchen beim Anblick verhungernder Kinder in Afghanistan, kein Reflex im Bus aufzuspringen, sobald eine alte Omi in seine Richtung guckt, alles so was. Die Seele erholt sich von allein, solange noch was da is’, was sich erholen kann, verstehste? Also krieg dich ein, iss endlich deinen Kuchen und lass mich und Onkel Jerry mal ganz entspannt machen.“
„Ich vermute, deine Definition von ein paar Tagen wird mir nicht gefallen.“ Zedrik fühlte sich versucht, seinen Kuchenteller in Groshphanks Richtung zu werfen, obwohl er genau wusste, dass nichts, was aus seiner Hand kam, den Bannkreis durchbrechen würde. Trotzdem war es einfach absurd, in einem solchen Moment an Essen zu denken! Seine Kopfschmerzen waren mittlerweile so stark, dass sich ihm bei der bloßen Vorstellung alles umdrehte.
Jeremy setzte inzwischen ein Kästchen mit vielen Bannsiegeln in den Beschwörungskreis. Zu gerne wäre Zedrik dabei gewesen, um den Riesenaufmarsch der Polizei an dieser Schule zu sehen. Dass Jeremy den Exorzismus nicht sofort durchgeführt hatte,bewies, wie chaotisch die letzten Tage gewesen sein mussten. Zu schade, dass er auf diese Weise einen Poltergeist im Keller vorrätig gehabt hatte … Man hörte den Poltergeist in dem Kästchen toben, der gewiss spürte, dass er frei gelassen werden sollte.
Zur Hölle, ausgerechnet einem Poltergeist sollte er sich anvertrauen, da könnte man auch Taznak bitten, ein Häkeldeckchen zu klöppeln!
Sehr konzentriert entfernte sein Partner ein Siegel nach dem anderen, mit dem Blick und der Ruhe eines Spezialisten des Bombenentschärfungskommandos.
„So, seid still jetzt!“, kommandierte er, als nur noch ein Siegel übrig war. Er ergriff eine Zange, packte damit das Letzte, was den Poltergeist noch gefangen hielt.
Im selben Moment, als das Siegel fiel, warf Jeremy die Zange von sich und wich ein ganzes Stück zurück. Wenn auch nur eines seiner Haare in den Kreis hineinragte, könnte der Poltergeist ihn packen und zu sich zerren.
Zunächst geschah nichts. Vielleicht witterte der Geist den Bannkreis, oder er wollte sich nicht von der entweihten Erde trennen? Dann ertönte schauerliches Geheule, und der Poltergeist kam herausgeschossen.
Jeremy wartete geduldig, während sein Gefangener randalierte. Brüllend, grollend, heulend warf sich der Geist gegen die unsichtbare Mauer, die ihn davon abhielt, Jeremy in Stücke zu zerfetzen.
Ein Bannkreis war immer so stark wie die Konzentration desjenigen, der ihn zeichnete. Wie zu erwarten wankte da gar nichts, schließlich war Mr. Perfect dafür verantwortlich. Er könnte vermutlich sogar einen hochrangigen Höllenfürsten bannen … Was allerdings eine wirklich dumme Idee wäre, denn die würden lieber zwölf Stunden Langeweile ertragen, als sich einen Pakt aufzwingen zu lassen.
Noch während der Poltergeist sich austobte, kam Harrison herein, um die Kuchenteller abzuholen. Er zuckte mit keiner Wimper, als er an dem Tumult
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