Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ein Hauch von Seele

Ein Hauch von Seele

Titel: Ein Hauch von Seele Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Gernt
Vom Netzwerk:
würde. Anscheinend half der Seelenmangel auch gegen solche Zustände, denn er fand den Mut, einen Schritt vorzutreten und damit den Erzengel zu zwingen, ihn zu bemerken.
    „Vergebt mir, Eure Heiligkeit“, sagte er, unsicher, welchen Titel ein Erzengel haben mochte. „Taznak will keineswegs die Himmelspforten stürmen, er hat lediglich mich hierher gebracht, damit ich Zedrik vor dem Sturz ins Nichts bewahren konnte. Aus ähnlichem Grund befindet sich auch der Poltergeist an diesem Ort.“
    „Ist dem so?“ Michaels Stimme klang wie ein ganzer Chor in Jeremys Innerem nach. Er war kaum in der Lage, dieses Wesen anzusehen, das so gewaltig, so schön und so schrecklich zugleich über ihm aufragte.
    „So ist es“, erwiderte Taznak zittrig. Der Dämon hielt sich beide Pranken vor das Gesicht, er lag auf den Knien und hatte dem Erzengel offenkundig nichts entgegenzusetzen.
    „Warum also … was?“ Michael drehte sich zur Seite, wo ein Engelchen in weißem Kleid stand und am goldenen Umhang zupfte, den der Erzengel über der Rüstung trug.
    „Verzeiht, aber der Halbdämon hat seine Seele liegen lassen.“ Es hielt eine versiegelte Kristallphiole in den Händen, die es Zedrik entgegenstreckte. Darin befand sich eine Art Nebel, der zu unscheinbar wirkte, um etwas so Großartiges sein zu können.
    „Soul to go“ , dachte Jeremy, ein irres Lachen unterdrückend. Einmal Seele zum Mitnehmen …
    Mit bebenden Händen nahm Zedrik sein Eigentum an sich und presste es schützend an seinen Körper.
    „Ich erwarte, Brut der Hölle, dass du sie ihm lässt, gleichgültig, welche Besitzansprüche du an ihn stellst“, sagte Michael streng, nachdem er dem Geflüster des Engelchens gelauscht hatte. Die Antwort war ein gequältes Grunzen, das sicherlich eine Bejahung bedeutete.
    „Was nun dich angeht …“ Der Poltergeist wand sich heulend, als er kritisch gemustert wurde. „Du warst nicht uneigennützig, dennoch hast du deine Existenz riskiert, um Zedriks Leben zu beschützen.“ Michael griff nach dem Geist, der ohrenbetäubend zu kreischen begann, als ihm eine Art himmlisches Gegenstück zu einem Dämonenmal auferlegt wurde, das sich in flirrendem Goldglanz über den halbdurchsichtigen Körper verteilte.
    „Sobald Jeremias sein Versprechen erfüllt und deine Leiche erlöst hat, erhältst du eine zweite Chance, da du weder für Himmel noch Hölle qualifiziert bist. Du wirst wiedergeboren werden, dein zukünftiges Schicksal liegt damit erneut in deinen Händen.“
    Wieder zu Taznak gewandt sprach er: „Eile voraus, hole den Körper, den du in deinem Höllenreich verwahrst und schaffe ihn dorthin, wo Jeremias bereits wartet. Ich werde die beiden selbst zurückbringen.“
    Mit einem hörbar erleichterten Schnauben verschwand der Dämon, und auch der Poltergeist verzog sich.
    „Nun wollen wir zusammenbringen, was zusammengehört.“
    Michael berührte Zedrik behutsam an der Brust und hielt gleich darauf eine Art Kugel in der Hand, die von Nebelschwaden erfüllt schien.
    „Es war ein Zeichen von Vertrauen und Güte, etwas so Kostbares zu verleihen.“ Der Erzengel lächelte Jeremy strahlend an, während er die Kugel heranführte. Nur einen Moment später fühlte Jeremy Wärme und flüssiges Glück in seinen Adern rinnen: Er hatte seine Seele zurück!
    „Da die verbliebene Hälfte bereits begonnen hatte sich auszudehnen, besitzt du nun einen Hauch von Seele zu viel. Es wird eine Weile dauern, bis du deiner Gefühle Herr werden kannst. Ähnliches gilt für deinen Gefährten, der noch niemals so viel Gefühl auf einmal besaß.“
    Michael strich ihm liebevoll über den Kopf, wie ein Vater einem Kleinkind, bevor er die Phiole aus Zedriks Händen barg und das Siegel erbrach.
    „Nimm, was dein ist“, sprach er, schüttete den Inhalt heraus, der sich sofort zu einer Kugel formte, und ließ sie in Zedriks Körper versinken.
    Ein seliges Lächeln breitete sich auf dem wunderschönen Gesicht aus, bevor sie beide zugleich ergriffen und von Licht umhüllt wurden.
     
    ~*~
     
    Desorientiert tastete Jeremy um sich. Er lag auf festem Boden. Der tiefe Bass, den er irgendwo in der Nähe dröhnen hörte, war leicht als die Stimme seines Vaters zu identifizieren. Damit stammte der glockenhelle Sopran wohl von Madame Vivienne.
    Eine Hand ergriff die seine.
    „Sieh mich an“, flüsterte Zedrik.
    Innerlich jubilierend öffnete Jeremy die Lider und blickte in warme, menschliche hellgrüne Augen, denen jeder Anflug von dämonischer Grausamkeit

Weitere Kostenlose Bücher