Ein Hauch von Seele
unbeschadet zurückbringen, nicht wahr?“ Madame Viviennes Stimme war Samt und Frost zugleich.
Taznak knurrte etwas, das nach Zustimmung klingen könnte.
„Mylord? Sind Sie einverstanden? Bedenken Sie, dass dies Ihre verbliebene Seelenhälfte ist. Sollte Zedrik verloren sein …“
„Nun macht schon, trödelt doch nicht so!“, brüllte Jeremy ungehalten. „Womöglich zählt hier jede Sekunde!“
Nur einen Moment später presste sich die riesige Klaue erneut gegen seine Brust. Es hatte nichts mit dem überanstrengtem Gezerre zu tun, das es bei Groshphank gewesen war. Der Seelenfresser benötigte keine zwei Herzschläge, um alles aus ihm herauszusaugen. Jeremy hatte nicht einmal Zeit für einen Schreckensschrei, da wurde es bereits dunkel.
Kapitel 29
Einmal Seele zum Mitnehmen, bitte
Zedrik klammerte sich an einerder goldenen Ketten der Himmelsbrücke fest. Nachdem es ihn so brutal aus dem Himmels-Seelenlager fortgerissen hatte, wäre er beinahe in diesen Abgrund gestürzt. Um genau zu sein, er wäre längst abgestürzt, doch er wurde vom Poltergeist gehalten. Der konnte zwar die Brücke nicht betreten, sich über den Abgrund hängen hingegen schon. Das andere Ende des zum Zerreißen gespannten Geisterleibes befand sich irgendwo auf der sicheren Seite. Er konnte Zedrik nicht loslassen, ohne selbst in die Unendlichkeit zu fallen, mitnehmen und auf festen Grund bringen war allerdings genauso unmöglich. Es musste Hilfe kommen, und so, wie der Geist stöhnte, musste diese Hilfe sich mächtig beeilen, sonst wäre es zu spät. Bloß, wer sollte hier schon vorbeikommen, der dazu in der Lage war?
„Du hättest mich fallen lassen sollen, jetzt sind wir beide verloren“, presste Zedrik atemlos hervor. Auch wenn dies nur ein Seelenkörper war, er schmerzte, von den Zehennägeln bis zu den Haarspitzen.
„Ooohneee diiich keiiiiineee Eeerlöööösuuung!“, heulte der Poltergeist.
„Mit mir aber auch nicht.“
„ Zedrik !“
Hatte er bereits Halluzinationen? Warum sonst sollte er Mr. Perfects Stimme hören?
„Halt dich ja fest!“
Die Brücke begann zu schwanken. Jemand lief auf ihr. Zedrik brüllte vor Schmerz, seine Arme wurden ihm fast aus den Schultergelenken gerissen. Der Poltergeist packte ihn allerdings nun mit neuer Kraft.
„Deeerrr Dääääämoooon häääält miiiich!“
Häh? Welcher Dämon? Groshphank war wohl kaum stark genug dafür!
„Bin gleich bei dir!“ Das war eindeutig sein Jeremy. Er schien langsamer zu gehen, sicher hatte er bemerkt, dass die Brücke sonst zu stark schwankte.
Zedrik zählte die Schläge seines rasenden Herzens, um sich abzulenken. Das klopfte allerdings viel zu rasch, darum konzentrierte er sich auf die Schweißperlen, die aus seinem Haar über sein Gesicht rannen und in die Ewigkeit hinabtropften.
„Zed, halt durch!“ Hände schlangen sich um Zedriks brennende Gelenke. Jeremy zog, der Poltergeist schob, und plötzlich lag er schwer atmend auf der Brücke und musste sich nicht mehr halten.
„Oh Gott sei Dank, Gott sei Dank!“, wiederholte Jerry immer und immer wieder. Zedrik wurde heftig umarmt, geküsst, erneut umarmt und dann auf die Beine gezogen.
„Der Bifröst schwankt mir zu sehr, lass uns zurückgehen.“
Zedrik wollte protestieren. Seine Seele war noch bei den Engeln! Er war ihr doch so nah gewesen! So nah! Aber ihm fehlte die Kraft, sich gegen Jeremy zu stemmen, also stolperte er neben ihm über das schwankende Ungetüm. Vielleicht würde es ein nächstes Mal geben, dann wusste er wenigstens sofort, wohin er gehen musste …
Als die Nicht-Welt aufhörte zu schlingern, blickte er hoch und starrte ungläubig auf Taznak, der dort auf sie beide wartete. An seiner Seite schwebte der Poltergeist. Zedrik war froh, dass der auch gerettet worden war.
Taznak öffnete das Maul, wollte irgendetwas sagen. In diesem Moment wurden sie alle von gleißendem Licht geblendet. Taznak brüllte gepeinigt, auch Zedrik spürte ein unangenehmes Brennen auf der Haut. Aus dem Licht trat eine Gestalt in Rüstung und mit gezücktem Schwert, die drohend auf sie zugeschritten kam.
Taznak fauchte etwas, das nach „Nicht auch der noch!“ klang.
„Weiche, Dämon!“, donnerte die Lichtgestalt. „Wage nicht, einen einzigen deiner Klauenfüße auf die heilige Brücke zu setzen! Ich bin der Erzengel Michael, der bereits deinen Herrn in die Tiefen stürzte. Weiche!“
~*~
Jeremy wusste, dass er normalerweise vor Ehrfurcht und Angst am Boden kriechen
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