Ein Hauch von Seide - Roman
Josh hatte Ambitionen, große Ambitionen, und darin war nicht vorgesehen, zu heiraten und sich mit einer Frau und einem halben Dutzend Kinder zu belasten, die er durchfüttern musste. Eine oder zwei junge Frauen waren schon im Salon gewesen, die mit den neuen Sängern und Gruppen herumhingen, deren Platten auf den Hitlisten standen, und sobald das neue Jahr angefangen hatte, wollte er Ollie überreden, einem der vielen Mannequins aus seinem Freundeskreis die Haare schneiden zu dürfen – einem, das gute Aussichten hatte, für Vogue fotografiert zu werden.
Die Luft draußen vor dem Pub war schneidend kalt, der Himmel klar und mit Sternen übersät. Josh kannte die Adresse der Russells. Zu Fuß war es eine gute halbe Stunde, und es war weit und breit kein Taxi in Sicht. Nicht dass das Josh störte. Er liebte Herausforderungen. Das Dorchester war das nächstgelegene elegante Hotel, also eilte er dorthin, nahm den Hintereingang, bahnte sich von dort den Weg ins Foyer und schlenderte durch den Haupteingang nach draußen, wo der livrierte Portier ihn höflich fragte: »Taxi, Sir?«
Josh konnte sich ein triumphierendes Grinsen gerade noch verkneifen, als der Portier eines der Taxis herbeiwinkte, die auf die zahlungskräftigen Gäste des Dorchester warteten. Das Trinkgeld, das er dem Portier gegeben hatte, um in dem warmen Taxi sitzen zu können, statt zu Fuß durch die eiskalten Straßen laufen zu müssen, war es wert gewesen.
Das Taxi brauchte nicht mehr als ein paar Minuten zu der Adresse der Russells. Josh bat den Fahrer zu warten und ging zur Haustür.
Als Josh den Portier fragte, ob er Rose gesehen habe, wollte der ihm zuerst nicht öffnen, doch als Josh ihm erklärte, er werde dies der Polizei melden müssen, falls sie, wie er vermutete, gegen ihren Willen in Russells Wohnung festgehalten wurde, ließ er ihn ein.
»Ist vor ungefähr einer halben Stunde gekommen«, sagte er zu Josh. »Aber niemand hat sie gezwungen reinzugehen. Hat an die Tür geklopft, die junge Frau, und ist dann reingegangen.«
»Ich nehme an, Sie haben für Notfälle einen Ersatzschlüssel«, sagte Josh freundlich.
»Na, ich kann Ihnen doch keinen Ersatzschlüssel nich geben. Da würd ich doch meine Stellung verlieren, wenn ich das täte.« Der Portier wirkte verängstigt.
»Dann muss ich mir wohl selbst helfen, oder?«, entgegnete Josh fröhlich und fügte hinzu: »Keine Sorge, ich hab früher ein bisschen geboxt. Wenn Sie mögen, kann ich dafür sorgen, dass Sie zwei ordentliche Veilchen und eine gebrochene Nase haben. Das sollte jeden davon überzeugen, dass Sie den Schlüssel nicht freiwillig rausgerückt haben.«
Die Hand des Portiers zitterte, als er den Schlüssel von dem schweren Schlüsselbund löste, den er aus der Hosentasche geholt hatte, und ihn Josh reichte.
»Danke, Kumpel. Wenn ich Sie wäre, würde ich jetzt für ein paar Minuten die Fliege machen.«
Der Portier brauchte keine zweite Aufforderung, er verschwand schon in Richtung Treppe.
Sie war ihm entkommen, aber für wie lange?, überlegte Rose, die vor Angst zitternd hinter einem Sofa in einer engen Ecke nah am Fenster Zuflucht gesucht hatte. Arthur Russell hatte ein Lineal von einem Couchtisch genommen und stand jetzt vor ihr und schlug sich damit in die offene Hand, während er sie mit einem Blick bedachte, der ihr eine Gänsehaut über den Rücken jagte.
»Jetzt muss ich dich wirklich bestrafen«, warnte er sie. »Du musst ein paar wichtige Lektionen lernen. Ich hätte gedacht, ein Mädchen wie du wäre klug genug, mich nicht wütend zu machen.«
Verzweifelt blickte Rose zur Tür.
»Sie können mich nicht hier festhalten«, warnte sie ihn mit gespielter Tapferkeit. »Wenn Mrs Russell nach Hause kommt …«
Er lachte laut über ihre Worte.
»Mach dir keine Hoffnungen. Sie kommt nicht vor Mitternacht nach Hause, und bis dahin, meine kleine Schöne, hatte ich, worauf ich aus bin, und zwar mehr als einmal. Ich muss dich warnen, dass mein Geschmack sehr unkonventionell ist, und dein köstlich geformtes Hinterteil quält mich schon, seit ich das erste Mal einen Blick darauf geworfen habe. Hat’s dir schon mal einer hinten rein gemacht? Manche Mädchen mögen es nicht, aber du bist aus anderem Holz geschnitzt. Dir liegt es im Blut. Jeder weiß, dass die Mädchen in Hongkong die besten im ganzen Gewerbe sind.«
Entsetzen kroch durch Roses Adern. Wenn Josh nicht manchmal Witze über die sexuellen Praktiken der Homosexuellen gemacht hätte, die im Salon
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