Ein Hauch von Seide - Roman
arbeiteten, hätte sie vermutlich nicht einmal gewusst, wovon Arthur Russell eigentlich sprach. Dass Männer so etwas mit Frauen machten, hatte sie nicht gewusst, und der Gedanke erfüllte sie mit Angst und Schrecken. Sie versuchte verzweifelt, an ihrem Angreifer vorbeizukommen, musste sich jedoch wieder hinter das Sofa zurückziehen, als Arthur Russell mit dem Lineal nach ihr schlug und ein stechender Hieb sie an der Hand traf.
Wenn der Mistkerl eine Sicherheitskette vorgelegt hat, bin ich aufgeschmissen, dachte Josh, als er den Schlüssel im Schloss drehte. Doch zu seiner Erleichterung ließ sich die Tür mühelos öffnen, und er trat in die Halle mit ihrem überladenen Dekor. Von dort öffneten sich mehrere Türen, und Josh trat der Reihe nach näher, lauschte und brummte zufrieden, als er hinter einer Doppeltür eine männliche Stimme hörte.
Rose wusste nicht, wer mehr überrascht war, als Josh plötzlich die Türen zum Wohnzimmer öffnete.
»Josh« war alles, was sie erleichtert stammeln konnte, als sie schließlich an ihrem Kerkermeister vorbeilaufen konnte, während der sich zu Josh umgedreht hatte.
»Du bist nicht zu unserer Verabredung gekommen, und da dachte ich, ich hol dich besser ab«, tadelte er sie mit leiser Ironie.
»Was zum Teufel ist hier los?«, wollte Russell wissen. »Wie zum Henker sind Sie hier reingekommen? Niemand geht irgendwohin. Ich rufe die Polizei.«
»Gute Idee«, stimmte Josh ihm freundlich zu, während Rose erstarrte, denn sie hatte irgendwie Angst, Arthur Russell könnte die Polizei davon überzeugen, dass sie hier die Missetäter waren und nicht er.
»Ich habe einem Kumpel, der für den Express arbeitet, schon einen Tipp gegeben, dass ich vielleicht eine saftige Geschichte über einen gewissen Geschäftsmann für ihn hätte«, fuhr Josh fort. »Ihre Frau weiß doch über Ihr kleines Hobby Bescheid, oder? Denn wenn nicht, wird sie es bald erfahren.«
»Das wird Ihnen noch leidtun«, drohte Russell Josh. »Dafür werde ich sorgen.«
Er kam mit geballten Fäusten so schnell auf sie zu, dass Rose sicher war, am Ende würden sie beide in der Falle hocken, doch irgendwie gelang es Josh, Rose aus dem Weg zu schieben und Russell dann seitlich auszuweichen, sich umzudrehen, die Fäuste zu heben und einen Schlag zu landen, der Russell, vor Schmerz keuchend und sich den Bauch haltend, zu Boden schickte.
Josh sah auf ihn hinunter. Er war stark in Versuchung, dem Mann einen Schlag zu versetzen, der dafür sorgen würde, dass er sich sehr lange keiner Frau mehr nähern würde, doch Rose war zugegen, und er musste sie in Sicherheit bringen. Also wandte er sich widerstrebend von seinem Gegner ab, ging zu Rose und sagte ruhig: »Komm. Unten steht ein Taxi mit laufendem Taxameter, das mich ein Vermögen kostet.«
Der Klang von Joshs Stimme nahm dem Entsetzen, das Rose gepackt hatte, die Spitze. Sie waren draußen und im Taxi, bevor Rose Luft holen konnte. Doch sobald sie durchgeatmet hatte, fing sie so heftig an zu zittern, dass Josh den Arm um sie legte.
»Was du da für mich getan hast, kann ich dir nie vergelten, Josh, niemals.«
»Klar kannst du das. Wart’s nur ab, eines Tages ergibt sich eine Gelegenheit, und dann kannst du jemand anderem helfen. So funktioniert das, weißt du, man gibt es weiter.« Sie wusste, dass er nur versuchte, ihr zurück in die Normalität zu helfen, doch für Rose schwang in seinen Worten etwas mit, was tief in ihr brannte.
»Und das werde ich, Josh«, erklärte sie leidenschaftlich. »Großes Ehrenwort.«
Sein Arm um ihre Schultern war warm und tröstlich, und er zog sie noch näher an sich. »Ich weiß, Rosie.«
Instinktiv lehnte sie sich an ihn. Der liebe, wunderbare Josh, der ihr ein solch starkes Gefühl der Sicherheit gab.
Dann stieg mit Macht eine neue Angst in ihr auf. »Ich bin wirklich froh, dass du gekommen bist, Josh, und unglaublich dankbar, aber ich habe auch Angst um dich … Mr Russell hat schließlich gesagt, er würde es dir heimzahlen.«
»Das brauchst du nicht. Das war nur so dahergesagt.«
Josh klang so sicher, dass Rose das Thema nicht weiter verfolgen wollte, doch sie konnte nicht umhin, sich zu sorgen. Hoffentlich hatte Josh recht.
Das Taxi hielt am Sloane Square, und sie stiegen aus. Da, wo Arthur Russell sie geschlagen hatte, brannte ihre Wange in dem kalten Wind. Von der alten Kirche in der Sloane Street drangen Bruchstücke von Weihnachtsliedern zu ihnen, ein paar vertraute Worte hier und da. Zu Hause waren sie immer
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