Ein Hauch von Seide - Roman
uns.«
Janey keuchte auf, als einer der jungen Männer an ihr vorbeitrampelte. Sie musste unbedingt verhindern, dass sie die Kleider mitnahmen, denn dann hatte sie nichts mehr im Laden.
»Ich bezahl Sie in bar, in Ordnung? Ich gehe sofort zur Bank und hebe das Geld ab, wenn Sie nur die Kleider da lassen, wo sie sind. Bitte.« Sie stand kurz vor den Tränen und kämpfte gegen Panik und Schock.
Einige Sekunden lang sah es so aus, als würde er sich weigern, doch dann erklärte er sich widerstrebend einverstanden. »In Ordnung, aber ich komme mit Ihnen, und die beiden hier bleiben, wo sie sind, und die Kleider auch.«
Das Geflüster, das sich rundum erhoben hatte, im Ohr, gelangte Janey irgendwie hinaus auf die Straße, obwohl ihre Beine wie Pudding waren.
Ihre Bank war nicht weit weg, doch es ging hektisch zu, denn viele junge Leute wollten Geld abheben, fröhlich darüber plaudernd, womit sie sich am Wochenende amüsieren würden.
Als sie endlich an der Reihe war, waren Janeys Hände feucht.
»Ich zahle Ihnen den Betrag des ungedeckten Schecks«, erklärte sie dem Lieferanten in möglichst geschäftsmäßigem Ton, »aber wenn es noch andere Außenstände gibt, müssen Sie mir die Rechnung zeigen. Irgendwo hat es da wohl eine Verwechslung gegeben.«
Sie wandte sich dem wartenden Bankangestellten hinter dem Schalter zu und bat ihn um die Auszüge des Firmenkontos und ihres Privatkontos. Auf ihrem Privatkonto war, wie sie wusste, ein ordentlicher Betrag, denn sie hatte kürzlich eine Zahlung aus ihrem Treuhandfonds erhalten, doch als sie den Kontoauszug der Firma sah, riss sie entsetzt die Augen auf. Das Konto war um fast fünfhundert Pfund überzogen! Wie um alles in der Welt war das denn passiert? Ihre Knie zitterten, sie wagte es nicht, eine Frage zu stellen oder eine Erklärung zu verlangen. Stattdessen ging sie zu einem Kassierer und hob von ihrem Privatkonto so viel Geld ab, dass sie den Lieferanten bezahlen konnte.
Es hatte keinen Sinn, Cindy anzurufen – sie musste bis zum Montag warten, um zu erfahren, was da los war. Es war eigentlich unmöglich, dass das Firmenkonto überzogen war, aber Cindy hatte bestimmt eine Erklärung, tröstete Janey sich, als sie sich auf den Weg zum Pub machte, wo sie sich mit Charlie treffen wollte.
Rose klammerte sich mit schweißnassen Händen an das Lenkrad des Minis, als wären sämtliche Furien hinter ihr her. In dem verzweifelten Bedürfnis, zu entkommen – nicht so sehr Pete wie dem Entsetzlichen, das sie getan hatte –, nahm sie ganz gegen ihre Gewohnheit Kurven mit hoher Geschwindigkeit.
Ihr Herz machte Sprünge – vor Panik und Gewissensbissen oder von den Drogen, die sie genommen hatte? Rose wusste es nicht, und eigentlich war es ihr auch egal. Die Wirkung war dieselbe: ein unbarmherziges, beängstigend heftig pochendes Herz, dazu ein verschwitztes klebriges Gefühl am ganzen Körper und dröhnende Kopfschmerzen.
Wie konnte sie sich nur so benehmen? Mochte ja sein, dass die Droge ihre Widerstandskraft geschwächt und ihr die Hemmungen genommen hatte. Aber sie hätte doch sicher nicht eine solche Wirkung entfalten können, wenn nicht ein Teil von ihr sich so hätte benehmen wollen, oder? War irgendwo tief in ihrem Innern etwas, das sie zur … zur Hure machte? Wie ihre Mutter?
Rose keuchte auf, als sie eine Kurve zu schnell nahm und auf die Bremse treten musste, woraufhin der Mini über die zum Glück leere Straße rutschte und kurz vor einem Graben zum Stehen kam.
Sie würgte den Motor ab und zitterte so sehr, dass sie einige Minuten lang gar nichts machen konnte. Als sie den Wagen wieder startete, war ihr so übel vor Nervosität und Verzweiflung, dass sie nur noch langsam zu einer kleinen Parkbucht fahren konnte, um sich dort allmählich zu beruhigen.
Sie war nicht ihre Mutter, sie war sie selbst. Aber wer war sie? Was, wenn die Droge ihr wahres Ich zum Vorschein gebracht hatte? Was, wenn dieses wahre Ich in der Vergangenheit nur unter Kontrolle gewesen war? Was, wenn sich dieses wahre Ich jetzt nicht mehr unter Kontrolle bringen ließ, wie ein aus seiner Flasche freigelassener Dschinn?
Rose sehnte sich nach Joshs tröstlicher, beruhigender Gegenwart. Er würde sie verstehen. Er würde bestimmt lachen und sie necken und ihr das Gefühl geben, das, was passiert war, sei doch gar nicht so schlimm. Doch Josh war nicht da, und wenn er da gewesen wäre, wäre letzte Nacht auch gar nicht passiert, denn dann wäre sie bei ihm in Sicherheit gewesen.
Sie
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