Ein Haus für vier Schwestern
dazu. Ist es denn falsch, wenn ich es deswegen weggeben will?«
Ja, wollte sie gern sagen. Dieses Kind war nicht nur Stephanies Baby, es war Elizabeths Enkelkind. Wie konnte sie bei der Geburt dabei sein und ein Baby mit Stephanies Augen, Nase oder Kinn im Arm halten, um es dann nie wieder zu sehen? Hatte Gingers Mutter es jemals bedauert, sie weggegeben zu haben? Suchte sie die Augen der Kinder, die sie auf ihren Konzertreisen traf, und fragte sie sich, ob eines davon ihres war?
Liebevoll streifte Elizabeth eine lose Haarsträhne hinter Stephanies Ohr. »Nein, es ist nicht falsch.«
»O Gott, wie konnte ich nur so blöd sein?«
»Es ist passiert. Hör auf, dir Vorwürfe zu machen.«
Stephanie legte ihren Kopf auf Elizabeths Schulter. »Wenn ich es weggebe, hoffe ich, dass es eine Mutter wie dich bekommt.«
Elizabeth schloss die Augen und drängte die Tränen zurück. Es brach ihr das Herz, dass sie Stephanie nicht helfen konnte.
Elizabeth lag schon im Bett und las, als Sam von einem Footballmatch zurückkam. Sie steckte ein Lesezeichen ins Buch und legte es zur Seite. »Wer hat gewonnen?«
»Wir. Es war ein Kinderspiel.«
»Wo ist Stephanie?«
»Lu hat angerufen. Sie sind ins Kino gegangen.«
»Hast du sie daran erinnert, dass sie keinen Alkohol trinken darf, falls sie im Anschluss noch ausgehen?«
»Sie ist nicht völlig bescheuert, Lizzy. Sie weiß, was ihr schadet.«
»Wenn sie das wirklich wüsste, wäre sie jetzt nicht in diesem Zustand.« Sie war müde und eigentlich nicht in der Verfassung für Moralpredigten. »Was glaubst du, was deine Söhne in ihren Semesterferien gemacht haben? Vielleicht haben wir ja eine ganze Horde Enkelkinder da draußen, die aussehen wie Michael und Eric. Es hat sich nichts geändert, immer noch ist das Mädchen schuld. Sie ist eine Schlampe. Sie hat nicht aufgepasst. Und sie hat das Problem am Hals, wenn etwas schiefgeht. Ich habe es so satt! Stephanie hat sich nicht selbst geschwängert. Aber was ist mit dem Jungen? Er ist auf der Uni und macht seinen Abschluss. Er geht am Wochenende aus und hat ungeschützten Sex, weil Kondome lästig sind.«
»War es so schlimm heute?«
Er kannte sie zu gut. »Ich habe das Gefühl, dass Stephanie uns bitten wird, das Baby zu adoptieren.«
»Das habe ich befürchtet.«
»Ich auch«, gab sie zu.
Er setzte sich auf die Bettkante. »Was hat sie gesagt?«
»Dass sie möchte, dass das Baby eine Mutter wie mich bekommt.«
»Und was hast du dazu gesagt?«
»Nichts.«
»Und was wirst du sagen, wenn sie kommt und fragt?«
»Glaubst du nicht, wir sollten zuerst darüber sprechen, bevor ich ihr antworte?«
Sam rückte nach hinten und lehnte sich mit dem Rücken ans Kopfteil. »Fragst du mich, was ich davon halte?«
Das tat sie, aber sie kannte seine Antwort sowieso schon. Sam könnte ihr nie etwas abschlagen. Er war zweiundfünfzig. Bis das Baby mit der Ausbildung fertig war, wäre er vierundsiebzig.
»Es ist nicht fair«, sagte sie. »Weder uns noch dem Baby gegenüber. Ich weiß, es gibt Frauen, die in ihren Fünfzigern noch ein Kind bekommen, aber es schüttelt mich jedes Mal, wenn ich davon höre. Wir waren verdammt gute Eltern, aber wir und unser Denken, unser Verhalten haben sich verändert. Wir haben zu viel gesehen, gehört und erlebt, um mit ungebrochenem Optimismus durchs Leben zu gehen.
»Und wir mögen keine Pizza. Wie kannst du heute ein Kind großziehen, ohne Pizza zu essen? Jedes Endspiel, jeder Sieg – egal in welcher Sportart – wird heute in einer Pizzabude gefeiert.«
»Das ist natürlich das entscheidende Argument.«
»Auf meine verquere Art ist es mir völlig ernst damit.«
»Das weiß ich.« Er ergriff ihre Hand, und sie sprach weiter. »Sie wird das nicht begreifen. Sie wird glauben, wir wollen das Baby nicht nehmen, weil ich zur Uni und du in Rente gehen willst.«
»Wollen wir ja auch.«
»Das ist aber nicht der Punkt.«
»Warum denn nicht? Ist unser Leben denn weniger wert als ihrs? Es ist ihr Kind, Lizzy, nicht unseres.«
»Aber es ist unser Enkelkind.« Verdammt, sie weinte schon wieder. »Ich frage mich die ganze Zeit, was wir machen würden, wenn Michael oder Eric Familie hätten und ihnen etwas zustoßen würde. Ich weiß genau, was wir machen würden, Sam. Wir würden die Kinder nehmen, sie aufziehen und ihnen alles ermöglichen, um sie aufs Leben vorzubereiten. Warum ist das etwas anderes?«
»Weil Michael oder Eric sich ihr Schicksal nicht ausgesucht hätten. Sie hätten sich nicht dafür
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