Ein Haus für vier Schwestern
letzten zehn Meilen bist du ständig eingenickt.«
»Ich schlafe, wenn wir da sind.«
»Dann sprich mit mir. Erzähl mir von dieser Schwestern-Geschichte.«
Sie erzählte ihm alles. Nur das mit dem Geld ließ sie aus, das war Rachels Sache.
»Ich frage mich, warum sie nichts davon erzählt hat«, sagte er.
»Ich glaube, wir waren am Anfang alle wie gelähmt. Und danach wollte keine von uns über Menschen sprechen, die nach sechs Monaten wieder aus ihrem Leben verschwunden wären.«
»So hat mir das aber nicht ausgesehen.«
»Die Verhältnisse ändern sich.«
»Scheint so, dass euer Vater erreicht hat, was er wollte.«
Sie versteifte sich in einer Abwehrhaltung. »Sei vorsichtig«, warnte sie ihn. »Wir sind alle ein bisschen empfindlich, was Jessie angeht.«
»Ich dachte, du hättest ihn bis vor ein paar Monaten gar nicht gekannt.«
Sie sah auf das Auto auf der Nachbarspur, auf die Fahrerin, auf das Kind im Kindersitz. »Das ist ja das Traurige«, sagte sie leise.
Ein paar Minuten vergingen.
»Entschuldige«, sagte Logan. »Ich wollte dir nicht zu nah treten.«
Er besaß also nicht nur Humor und fragte nach dem Weg, sondern er entschuldigte sich auch für seine Fehler.
»Du bist Feuerwehrmann?«
»Seit zwanzig Jahren.«
»Das bedeutet, dass du deinen Beruf gern machst.«
»Meistens schon.«
»Was heißt das?«
»Nicht jeder Einsatz hat ein glückliches Ende.«
»Feuerwehrleute haben Jeff aus dem Autowrack geholt und die Klippen hoch geschleppt.«
»Dafür werden sie ausgebildet.«
»Ich tue nur meine Pflicht, Madam.«
»Genau.«
Vielleicht waren Feuerwehrmänner ja immer bescheiden. Doch jemandem, der aussah wie Logan, nahm sie das nicht ab. Schlank, muskulös, perfekte Zähne, tolle Augen, betörendes Lächeln – das konnte nicht sein.
»Bist du echt?«
Logan lachte. »So echt und normal wie dieses Auto.«
»Was ist mit meinem Auto?«
»Nichts. Es wird nur nicht als herausgeputzter Oldtimer enden.«
O Gott, er gefiel ihr. Gar nicht gut. »Frau?«
»Willst du wissen, ob ich eine habe oder eine suche?«
»Ob du eine hast.«
»Hatte. Jetzt nicht mehr.« Er wechselte die Spur. »Und du?«
»Kinder?«
»Nein. Und du?«, wiederholte er.
»Weder Frau noch Kinder.«
Er sah sie von der Seite an. »Warum die Fragerei?«
Sie zuckte mit den Schultern. »Ich habe mir gedacht, ich sollte meine Verwandtschaft ein bisschen besser kennenlernen.«
»Du bist auf Zack. Das mag ich.«
»Du hast gern recht«, sagte sie.
»Ja, und?«
»Da stehe ich nicht so drauf.«
Er grinste. »Du bist doch auch so, oder?«
»Versteh mich nicht falsch, aber du scheinst mir nicht sehr besorgt um deinen Bruder zu sein.«
»Bin ich auch nicht, zumindest nicht im Augenblick. Jeff ist ein Kämpfer. Er hat eine harte Zeit vor sich, aber er wird es packen. Rachel ist diejenige, die Hilfe brauchen wird. Sie muss alles am Laufen halten, bis Jeff wieder auf den Beinen ist. Sie ist diejenige, die Albträume haben wird. Soweit ich weiß, war Jeff die meiste Zeit bewusstlos.«
»Wir werden uns schon um sie kümmern.«
Er durchbohrte sie mit Blicken. »Macht ihr das wirklich? Auch wenn es lange dauert?«
»Ja«, sagte sie überzeugt. »Das machen wir, alle drei.«
50
Christina
Christina blieb stehen, um die Zeichnungen zu betrachten, die am Kühlschrank hingen. John hatte den Umriss seiner Hand in einen Truthahn verwandelt. Cassidy hatte einen Mann und eine Frau als Paar gemalt. Die Frau hatte feuerrote Haare und baumelnde Ohrringe, der Mann eine Stoppelfrisur mit einem Tuch um die Stirn. Sie war verrückt nach ihrer Nichte und ihrem Neffen, aber nicht so verrückt, dass sie die Wahrheit nicht sehen konnte. In den beiden steckte kein Rembrandt.
Sie holte die Sahne heraus, schüttete sie in einen Krug, der aussah wie eine Kuh, und stellte sie mit den Kaffeebechern auf ein Tablett. Sie hatte in den letzten drei Wochen so viel Zeit in Rachels Küche verbracht, dass sie sich dort schon fast wie zu Hause fühlte.
Nur dass ihr derzeitiges Zuhause eben nicht ihr Zuhause war. Es war Jessies. Es kam ihr nur so vor, als ob es ihres wäre. Bald, wahrscheinlich zu Jahresbeginn, würde Lucy das Haus einem Makler zum Verkauf übergeben. Und irgendwann würde es dann das Zuhause eines Fremden sein. Sie wäre dann in L.A., um sich eine Wohnung zu suchen und ein neues Leben anzufangen.
Elizabeth betrat die Küche. »Kann ich dir helfen?«
Sie nahm das Tablett hoch. »Bin schon fertig.«
»Warte einen Augenblick. Ich möchte mit
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