Ein Haus für vier Schwestern
nichts wert.«
»Ich möchte nicht unhöflich erscheinen, Mr Farnsworth, aber da liegen Sie falsch. Es würde nicht einfach sein, aber ich könnte sehr wohl ohne Ihren Grund zurechtkommen.«
Meine Stimme klang ruhig und klar, aber ich hatte die Hosen gestrichen voll. Wie als Siebenjähriger, wenn mir mein Onkel Jeb erklärte, unter meinem Bett würde ein Gespenst hausen.
»Gut, natürlich würde es eine Menge Geld in viele Taschen – einschließlich Ihrer eigenen – spülen, wenn wir uns den Umweg sparen könnten. Aber wie pflegte mein Vater zu sagen: Geld ist nicht alles. Wenn Sie lieber ausschlagen wollen, was Ihnen zusteht, ist das Ihre Entscheidung.«
Die Antwort war ein verächtliches Schnauben. »So etwas sagen in der Regel Männer, denen die Bank nur noch ihren Stolz gelassen hat.«
Das war ein Ansatzpunkt. »Mehr war meinem Vater auch nicht geblieben, bevor er nach Kalifornien ging.« Mir war nicht nach Mitleid zumute, schon gar nicht von Farnsworth, und so blickte ich nach unten auf meinen Hut. »Deswegen mache ich das alles. Egal, wie lange es auch dauert, ich werde meinem Vater zurückgeben, was die Bank ihm genommen hat.«
Er musterte mich lange und eindringlich. »Ich habe es nicht für möglich gehalten, dass mich irgendetwas veranlassen könnte, dich in mein Haus zu bitten. Offensichtlich hast du einen Treffer gelandet.« Er bedeutete mir, ihm zu folgen, drehte sich um und verschwand im Haus.
Eine zweite Einladung würde ich nicht bekommen, und so trat ich durch die Fliegentür ins Haus. Das Zimmer zu meiner Rechten besaß eine Schiebetür, die gerade weit genug offen stand, um einen Blick ins Innere zu gewähren. Ich schloss daraus, dass er nicht dort hineingegangen sein konnte – sonst hätte ich die Tür gehört.
Ich hielt inne, um zu lauschen, und entdeckte am Ende des Flurs ein Gemälde: eine junge Frau auf einem schwarzen Pferd. Ich trat näher, wischte mir eine schweißnasse Hand an meiner Hose ab, nahm mit dieser den Hut und trocknete auch die zweite Hand.
Ich hatte mich nie mit Gemälden beschäftigt. Also wusste ich auch nicht, ob dieses Bild dort gut oder schlecht war. Aber das spielte keine Rolle, denn es packte mich auf der Stelle – das Mädchen. Ich hatte nie zuvor so eine Schönheit erblickt. Sie hatte langes schwarzes Haar und blaue Augen von der Farbe des strahlenden Sommerhimmels. Ihre schlanke Taille könnte ich mit meinen Fingern umfassen, und ihre Brüste würden meine Hände füllen.
»Lassen Sie das bloß nicht meinen Vater sehen, wie Sie das Bild anstarren.« Eine geflüsterte Warnung von einer sanften, weiblichen und verführerischen Stimme.
Ich fuhr herum und sah mich dem Mädchen aus dem Gemälde gegenüber. Ein spitzbübisches Lächeln stand in diesen wundervollen blauen Augen. Ich starrte sie länger an, als schicklich war. Trotzdem lächelte sie mir zu. Ich schätzte sie auf fünfzehn, maximal sechzehn, jedenfalls stand sie mir altersmäßig nahe genug, dass ich mich auf der Stelle leidenschaftlich und unwiderruflich in sie verliebte.
Falls Gott sich endlich einmal dazu durchringen konnte, meine Gebete zu erhören, stand vor mir die Frau, die ich eines Tages heiraten würde. Meine Zukunft.
Ihr Lächeln verschwand. Der Art, wie ich sie anstarrte, musste sie erschreckt haben, doch sie hielt meinem Blick stand. Sie wusste ebenso wie ich, dass zwischen uns etwas Besonderes, Magisches vorgefallen war.
Damals hätte ich das natürlich nicht so in Worte fassen können. Ich wurde erst einen Monat später siebzehn und hatte keine Ahnung, wie ich die nächsten zwei Jahre überstehen sollte. So lange würde es dauern, die Pipeline über das Land zu verlegen, das ich nur mit meinen Versprechungen gepachtet hatte. Nachts, wenn ich wach lag, musste ich mich fragen, ob ich sie würde halten können.
Die Aufzeichnung war zu Ende. Lucy nahm die Kopfhörer herunter und sah nach Jessie. Sie wartete auf das mühsame Atmen, aber da war nur Stille. Irgendwann während ihrer Reise in seine Vergangenheit hatte er sie verlassen.
Sie griff nach seiner Hand, die immer noch warm war. Es konnte noch nicht lange her sein. Sie stand auf und strich ihm das Haar aus der Stirn. Dann küsste sie ihn zum Abschied.
»Wenn es das Schicksal so gewollt hätte, wäre ich das Mädchen auf dem Bild gewesen«, flüsterte sie ihm zu. »Und deine Töchter wären meine Kinder. Ich werde mich an deiner Stelle um sie kümmern, Jessie.«
Sie hatte nicht gemerkt, dass sie weinte, bis eine Träne auf
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