Ein Haus für vier Schwestern
Hausarrest bei ihrer Mutter war ihr gebrochener Kiefer wieder zusammengewachsen und die Blutergüsse waren verblasst. Dafür musste sie sich die ganze Zeit vorhalten lassen, was in ihrem Leben nicht stimmte und warum sie nach Mexiko ziehen sollte. Lieber wäre sie zur Hölle gefahren.
Der Arzt hatte versucht, sie zu drei weiteren Wochen Aufenthalt zu überreden, bis die Drähte aus ihrem Kiefer entfernt werden konnten. Aber er ließ sie gehen, als Christina in Tränen ausbrach und zu verstehen gab, dass sie ihren Job verlieren würde, wenn sie nicht schleunigst nach Hause fuhr. Das war eine ihrer besten schauspielerischen Leistungen gewesen.
Sie trat auf die Veranda und suchte in ihrer Handtasche nach den Schlüsseln. Während sie sich noch durch Cremetuben, Nagelfeilen, Sonnenbrillenetuis und anderen Kram wühlte, entdeckte sie eine Benachrichtigung an der Eingangstür.
Im ersten Moment dachte sie, es sei ein Abschiedsgruß von Randy. Aber sie wusste von Freunden, dass er eine Woche nach seiner Entlassung aus dem Gefängnis die Stadt verlassen hatte. Der Zettel dagegen sah relativ neu aus.
Christina öffnete das Fliegengitter. Die Nachricht kam von ihrem Vermieter – eine Räumungsaufforderung, weil drei Monate keine Miete gezahlt worden war. Sie hatte sieben Werktage Zeit gehabt, ihre Schulden zu zahlen, doch die Frist war vor fünf Tagen verstrichen. Jetzt blieb ihr nur noch ein Tag, das Haus zu räumen. Sonst würde der Gerichtsvollzieher sie vor die Tür setzen.
Panik machte sich in ihr breit. Wie konnte das sein? Sie hatte doch immer ihre Miete pünktlich bezahlt. Sie hatte auf Nachsicht gehofft, bis sie wieder arbeiten konnte.
Dann wurde es ihr klar. Randy! Dieser Mistkerl und Tunichtgut musste monatelang die Miete unterschlagen haben. Kein Wunder, dass er angeboten hatte, die Zahlungen zu erledigen. Wie hatte sie nur so blöd sein können, ihm das zu glauben? Christina stopfte die Benachrichtigung in ihre Tasche und schloss die Tür auf.
Ein Schwall abgestandener heißer Luft schlug ihr entgegen. Die Jalousien und Vorhänge waren zugezogen, nur durch die Eingangstür kam etwas Helligkeit. Sie wartete, bis ihre Augen sich an das Dämmerlicht gewöhnt hatten und sie wieder etwas sah. Doch da gab es nichts zu sehen. Nur ein Streifen Schmutz, den das Türblatt zusammengeschoben hatte. Vor zehn Sekunden hatte sie sich noch gefragt, was sie mit den Möbeln machen sollte, wo sie sie unterstellen konnte, bis sie eine neue Wohnung hatte. Sie hätte sich denken können, dass sich Randy auch darum kümmern würde. Alles, was irgendeinen noch so kleinen Wert hatte, war verschwunden. Einschließlich der Bücherregale und der Kisten mit den Sachen für den Film.
Nur das Telefon stand mitten auf dem Fußboden, und der Anrufbeantworter blinkte. Die Telefon- und Stromrechnungen hatte er offensichtlich bezahlt. Oder die beiden Gesellschaften arbeiteten einfach langsamer als ihr Vermieter.
Randy hatte schnell gehandelt und das Haus komplett gefilzt. Wahrscheinlich war alles, was sich zu Geld machen ließ, verkauft und der Rest weggeworfen worden. Es sollte nichts zurückbleiben, mit dem sie etwas anfangen konnte. Sie erwog für einen kurzen Augenblick, die Polizei zu rufen, ließ es dann aber bleiben. Die Möbel hatten zwar ihr gehört, bezahlt von ihrem Lohn als Bedienung. Sie hatte Überstunden dafür gemacht, während Randy mit Shawn am Soundtrack für den Film arbeitete. Die Ministrafe für Diebstahl wäre den Aufwand nicht wert.
Sie beäugte das rote Blinklicht des Anrufbeantworters. Warum hatte er das Telefon nicht mitgenommen?
Weil er ihr eine Nachricht hinterlassen hatte.
Er wollte das letzte Wort haben und wusste, dass sie nicht widerstehen konnte. Zur Hölle mit dem Kerl! Wenn er ihr etwas zu sagen hatte, sollte er das persönlich machen. Wenn sie ihn gefunden hatte, um ihm den Film abzunehmen. Sie ließ ihm vielleicht das mit ihrem Kiefer und die Sache mit den Möbeln durchgehen, aber nicht, dass er sich mit dem Film aus dem Staub gemacht hatte. Christina nahm das Telefon und riss die Schnur aus der Wand.
Die Neugier trieb sie dazu, den Rest des Hauses in Augenschein zu nehmen. Sie war nicht überrascht, dass ihre Aktenordner zerrissen und die Papiere über den ganzen Boden verteilt waren. Ihre Kleidung lag in einem unordentlichen Haufen mitten im Zimmer. In glänzendem Rot war ein dickes X darübergesprüht worden. Nur ein paar Jeans, ein weißes Hemd, ein bisschen Unterwäsche und ihr Stoffbär hatten
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