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Ein Haus für vier Schwestern

Ein Haus für vier Schwestern

Titel: Ein Haus für vier Schwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georgia Bockoven
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die Attacke unbeschadet überstanden. Das spielte aber keine Rolle. Sie war viel dünner geworden, seit sie ihre Nahrung durch einen Strohhalm zu sich nehmen musste. Ihre alten Sachen hätten ihr nicht mehr gepasst. Sie würde mit dem auskommen müssen, was ihre Mutter ihr gekauft hatte, bevor sie sie ins Flugzeug nach Tucson setzte.
    Sie sammelte die Klamotten und die Unterlagen ein. Zeugnisse, Lohnabrechnungen, Quittungen für den Film – alles wurde in ihren Koffer gestopft.
    Nun musste ihr nur noch jemand einfallen, der sie für ein paar Wochen unterbringen konnte. Mit ihrem verdrahteten Mund würde es wahrscheinlich eine Zeitlang dauern, bis sie arbeiten konnte.
    Christina starrte auf den riesigen Stapel Post und überlegte, ob sie den durchsehen oder auch alles in ihren Koffer packen sollte. Da sie das meiste für unwichtig hielt, ließ sie sich im Schneidersitz auf dem Boden nieder und begann die Sortierarbeit.
    Zwei Briefe von Agenten aus L.A., die sie nicht in ihre Kartei aufnehmen wollten. Ein paar überfällige Gebührenrechnungen. Eine Spendenanfrage der Universität von Arizona. »Eines Tages, wenn ich viel Geld habe«, versprach sie.
    Ihr hatte es gefallen, zu studieren, auch wenn es nur eine kurze Zeit gewesen war. Sie hatte sich eingeschrieben, weil sie raus von Zuhause wollte und ihre beste Freundin auch dort hinging. Dann war ihre Freundin in eine Drogengeschichte verwickelt gewesen und nach sechs Monaten rausgeflogen. Aus Langeweile war Christina eines Tages bei den Proben für ein Theaterstück gelandet. Das hatte sie fasziniert. Sie wechselte im nächsten Semester ihr Hauptfach, und das war es gewesen.
    Zwischen einem Werbeblättchen für eine Supermarkt-Neueröffnung und einer Telefonrechnung steckte ein Brief der Anwältin ihres Vaters. Das bedeutete sicher nichts Gutes. Wäre es Jessie besser gegangen oder hätte er sie noch einmal treffen oder einfach wissen wollen, wie sie über ein erneutes Treffen dachte, dann hätte er sie angerufen.
    Sie blickte zum Telefon, das immer noch in der Ecke lag, wo sie es hingeworfen hatte. Hin- und hergerissen zwischen Furcht und Neugier, steckte sie den Stecker wieder ein, spulte das Band zurück und drückte die Wiedergabetaste. Wie sie vermutet hatte, war die erste Nachricht von Randy. Sie hörte diese und die folgenden Nachrichten des Restaurants, in dem sie gearbeitet hatte, im Schnelldurchlauf ab. Sie war gefeuert worden. Es folgten Anrufe mehrerer Freunde. Als sie fast am Ende des Bands angelangt war, hörte sie eine unbekannte Frauenstimme. Sie unterbrach den Schnelldurchlauf.
    »… in Frieden von uns gegangen. Die Beerdigung ist am Samstag. Das Büro des Gouverneurs bat uns zu warten, bis dieser aus Washington zurückkommt. Ich wollte auch Ihnen und Ihren Schwestern genügend Zeit für die Vorbereitungen geben. Es wird, fürchte ich, eine größere Veranstaltung, als er sie sich gewünscht hätte. Aber er hat nie begriffen, wie sehr die Menschen ihn schätzten.«
    Die Stimme klang völlig erschöpft.
    »Wenn Sie Fragen haben und Hilfe brauchen, können Sie sich jederzeit an meine Assistentin wenden. Sie wird sich um alles kümmern. Ich werde im Anschluss an dieses Telefonat das Büro verlassen und erst nach der Beerdigung wieder zurückkommen. Wollen Sie mit mir persönlich sprechen, wird meine Assistentin den Kontakt herstellen oder Ihnen sagen, wo Sie mich erreichen können. Sie können auch eine Nachricht bei ihr hinterlassen und ich melde mich schnellstmöglich bei Ihnen. Die erste Reihe in der Kirche beim Trauergottesdienst ist für die engsten Freunde und die Familie reserviert. Wenn ich bis dahin nichts von Ihnen höre …«
    Hier brach die Aufzeichnung ab; das Band spulte zurück.
    Christina erinnerte sich an die Nachricht auf ihrem Handy, die sie gelöscht hatte, weil sie die Nummer nicht kannte.
    Ihr Vater war tot? Er hatte müde ausgesehen, als sie ihn besucht hatte, aber doch nicht sterbenskrank. Sie war nur etwas über einen Monat fort gewesen.
    Sie hatte ihrer Mutter erzählt, dass sie ihren Vater noch einmal besuchen wollte, sobald die Drähte aus ihrem Kiefer entfernt waren und sie genug Geld für die Fahrt nach Sacramento gespart hätte.
    Nie zuvor hatte sie ihre Mutter so wütend erlebt. Ob Christina nicht klar wäre, dass das ein Schlag ins Gesicht von Enrique war? Des Mannes, der sie wie ein eigenes Kind aufgezogen hatte? Was würde die Familie dazu sagen, wenn das herauskäme? Alle Bemühungen, die Vergangenheit zu vertuschen,

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