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Ein Haus in Italien

Ein Haus in Italien

Titel: Ein Haus in Italien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa St Aubin de Terán
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die Rohre unserer Nachbarn unsichtbar durch unseren Boden wie ein verstecktes Labyrinth aus Arterien und Venen. Es wurde für den Baggerführer zu einem Bestandteil seiner Arbeit, einige dieser Rohre aufzureißen.
    In den ersten Tagen hatten wir das Wasser in durchsichtigen Plastikflaschen aus dem örtlichen Laden den Berg hinaufschaffen lassen, dann kam es in einem gelben Plastikschlauch, der dreimal wöchentlich ein großes Weinfaß füllte. Dieser Schlauch wurde zu unserer nächsten Nachbarin geschleift, und zwar über die Mondlandschaft hinter unserem Haus, dann durch ein Dickicht aus Brennesseln und Disteln, den Hang hinunter durch einen Weinberg und bis zu einem Wasserhahn an Signora Marias Bauernhaus.
    Die Ankunft des Wassers war von viel Aufregung und allgemeinen Anweisungen begleitet. Als sich das Faß füllte, löste sich der Zementbodensatz und trübte sofort das frische
Wasser. Sobald die Arbeiter abends gegangen waren, war dieser Bottich unsere Badewanne. Nacheinander tauchten wir in das ziemlich unangenehme graue Wasser ein und schrubbten uns mit einem Stück Mandelseife emsig den schlimmsten Zementstaub von der ausgedörrten Haut. Eines Abends kam Imolo zurück, um aus seiner Kiste ein Werkzeug zu holen, und erwischte mich in seinem Faß. Iseult warnte mich, aber nicht früh genug, um zu fliehen, also versank ich in dem hohen Bottich, bis nur noch meine Augen über dem Rand zu sehen waren, während Imolo mich zu überreden versuchte, vom Baden in einer derart unappetitlichen Brühe Abstand zu nehmen.
    »Es ist nicht gut für deine Haut, weißt du, es ist nicht ratsam, sich darin zu waschen, es ist schmutzig. Das ist nur da, um Werkzeug abzuspülen und Zement zu mischen.«
    Wir taten, als hätten wir Imolos Faß aufgegeben, aber insgeheim badeten wir weiter jeden Tag darin. Das winzige Waschbecken in Reginas Bar reichte für Haare, Zähne und Gesicht, aber die Tage waren heiß, und der ständige Staub von den Bauarbeiten setzte sich so fest, daß sogar das Risiko sich lohnte, Imolo zu erzürnen, wenn es nur möglich war, etwas von der Zementpatina abzuspülen.
    Das Kind Iseult sagte, allein der Anblick von Imolo rühre sie zu Tränen, so stark war die Aura der Traurigkeit in seinen Augen. Es gab vieles, was das Kind zu Tränen rührte, von Reklame über Filme, Zeitschriften, Fotografien bis zu herrenlosen Hunden, aber was Imolo anging, war ich ihrer Meinung und schlug seine Kraft, mich zu rühren, meinem bereits anwachsenden Imolo-Kult zu. Wir hatten angefangen, ihn zu vergöttern. Die Vorstellung, sein Mißfallen zu erregen, schien gleichbedeutend damit, daß niemals unser Haus bewohnbar
gemacht, niemals die Zementsäcke aus der Einfahrt weggeräumt und niemals die Geheimnisse unserer Umgebung ergründet werden würden. Er war unser Erretter und Lotse. In jenen ersten Tagen muß er von unserer Familie einen überaus eigenartigen Eindruck bekommen haben. Später sagte er mir, unsere Lebensumstände seien so furchtbar gewesen, daß er sie keinem Hund zugemutet hätte. Mit seiner angeborenen Großzügigkeit übersah er die verschiedenen Anzeichen von Geistesgestörtheit, die er an unserem Klan bemerkte. Schließlich aber wurde ihm der Gedanke, daß wir im schmutzigen Baustellenwasser badeten, unerträglich. Er trieb die Installation der sanitären Anlagen voran und bestürmte uns zugleich, das Faß zugunsten des Quellwassers und des Sees aufzugeben.
    »Was für ein See?« fragte ich und dachte an die fernen Ufer des Trasimenischen Sees.
    »Giovannis See … da unten«, sagte er und zeigte auf ein Eichen- und Ulmenwäldchen unmittelbar hinter der dichten Reihe unserer Zypressen.
    Bei näherer Überprüfung fanden wir tatsächlich einen Weiher, der völlig hinter Bäumen verschwand. Im Winter konnte man ihn vom Haus und vom Weg aus sehen, aber im Sommer war er versteckt. Alle wußten, daß er da war, und alle fragten sich, warum wir in jenen ersten Tagen der Hitze und des Staubs nicht dorthin gingen. Man hielt es für eine unserer harmlosen Exzentrizitäten, daß wir ein Faß vorzogen.
    Die Straße zum See begann als Straße zu Reginas Bar und zum Dorf, vorbei an drei Bruchsteinhäusern und ihren weitläufigen Schuppen, einem verfallenen Turm aus dem zwölften Jahrhundert sowie einer kleinen, aufgelassenen Kapelle. Dies war, mit unserem Haus, der Weiler des alten San Or
sola, nur ein Bruchteil so groß wie der eigentliche Ort. Zum alten San Orsola gehörten noch zahlreiche andere Absprengsel, doch sie

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