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Ein Haus in Italien

Ein Haus in Italien

Titel: Ein Haus in Italien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa St Aubin de Terán
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lagen sehr verstreut, und es zog die Bewohner nur an Festtagen zu den paar Häusern an der Wegbiegung unterhalb unserer Villa.
    Hundert Meter weiter den Berg hinunter stand ein kleiner Bildstock für die Madonnina del campo. Bog man an der Kurve in einen kaum sichtbaren Pfad ein, kam man über eine Wiese zu einer Reihe Akazien- und Haselnußbäume, die sich über einen nahezu nicht vorhandenen Bach neigten. Wir folgten diesem Rinnsal und einer, wie es schien, lückenlosen Hecke, bis wir zwischen Brombeersträuchern und Schwarzdornhecken eine schmale Lücke und eine Holzbrücke entdeckten, die aus einer dicken, vermoderten Kastanienbohle bestand. Zwischen einer weiteren Wand schützender Ulmen und einem kleinen, abschüssigen Weinberg fanden wir Giovannis See.
    Er war nicht größer als unser zukünftiger Ballsaal, aber er wurde von einem Bergquell gespeist, und das Wasser war sauber und kalt. Im Rückblick gab es Augenblicke der Angst, der Farce, des Glücks und der Frustration, und es gab einige wenige Augenblicke ungetrübter Glückseligkeit. Giovannis See war einer davon: ein Sprung in den äußersten Luxus, den eisigen Luxus von sauberem, nichtrationiertem Wasser.
    Zu unserer eigenen Erleichterung über das saubere Wasser gesellte sich Imolos.
    »Ich sage dir, wir wußten nichts von dem See. Glaubst du, wir hätten uns freiwillig in deinem Schmutzwasser gewaschen?«
    »Was weiß ich über Ausländer? Ich war beunruhigt. Wir haben darüber gesprochen und waren uns einig, daß wir uns
nicht einmischen wollten, aber ich glaube, einige Leute werden unbefangener mit euch umgehen können, wenn sie erfahren, daß ihr von dem See nichts wußtet.«
    »Nun, da wären wir also, anders, aber nicht schmutzig.«
    Imolo lächelte, ging seiner Wege und übersetzte seinem Stamm weiterhin unsere Taten.

5. Kapitel
    D ie Villa bestand im Grunde aus mehreren Wohnungen. Das ist bei großen italienischen Häusern üblich, da sie gebaut wurden, um eine weitläufige Familie mit ihren Landarbeitern aufzunehmen. Die neueren Räume aus dem neunzehnten Jahrhundert im vorderen Teil des Hauses waren vermutlich für den Besitzer und seine Familie bestimmt, dazu mochte eine Wohnung für Großeltern, Tanten oder die erwachsenen Kinder mit ihren Familien gehört haben. Der ältere Teil aus dem achtzehnten Jahrhundert war für die Landarbeiter bestimmt gewesen, die contadini , die nicht nur die Arbeit im Haus verrichteten, sondern auch das Land bestellten.
    Gemessen an vielen viktorianischen Landhäusern in England, mit ihren beengten Dienstbotenunterkünften und den strikten Trennungen zwischen Familie und Dienstboten, unten und oben, war die italienische Architektur viel demokratischer. Mitunter hatte jede Familie eine eigene Küche, aber einige Bereiche wurden gemeinsam genutzt. Im Erdgeschoß waren vor allem landwirtschaftliche Vorratsräume untergebracht.
    Als wir mit der Restaurierung oder, genauer gesagt, der Fertigstellung der Villa begannen, beschlossen wir, uns genau daran zu halten, wie ihr Besitzer und Architekt, Giovan Battista Nicasi, sie fertiggebaut hätte, wäre er nicht vorher gestorben. Wir wollten nur alle Verunstaltungen entfernen, die im Laufe fast eines Jahrhunderts im Inneren und an der Fassade zusammengekommen waren, weil man versucht hatte,
aus der eleganten Villa Ställe und Schuppen zu machen. Wenn wir unsere Bedürfnisse dem ursprünglichen Grundriß anpaßten, würden wir eines Tages weniger ein großes Haus als vielmehr eine Reihe von Wohnungen haben.
    Unser Plan sah vor, die Beauties und Allie in die erste Parterre-Wohnung einzuquartieren, sobald sie fertig wäre. Die zweite, die wir daneben ausbauen wollten, war noch ein baufälliger landwirtschaftlicher Lagerraum. Im ersten Stock, in der älteren Haushälfte, lag die frühere Hausverwalterwohnung, die aus der großen Küche und zwei Schlafzimmern bestand. In der neueren Hälfte gab es eine Flucht von sechs ineinander übergehenden, geräumigen Zimmern mit hohen Decken, die durch einen langen Korridor mit dem hinteren Teil der Villa verbunden waren. Der Korridor endete auf beiden Seiten am Treppenhaus, dies gab der Villa etwas Labyrinthartiges, verband Weitläufigkeit mit der Möglichkeit, sich zu verlaufen.
    Am westlichen Ende der Villa lag ein riesiger Ballsaal oder Salon mit Galerie, dessen Restaurierung so tollkühn schien, daß der Saal eine Ruine und die Restaurierung ein Projekt unserer Phantasie blieb, und das wird wohl noch viele Jahre (wenn nicht ewig) so

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