Ein Haus in Italien
irgendwo in den Eingeweiden unseres neuen Abwassersystems versteckt hielten.
Ein weiteres festes Mitglied von Imolos Trupp war Luciano, der Maler mit dem riesigen Bizeps: Er stand mit einer Rolle, die an einer drei Meter langen Stange befestigt war, in der Mitte eines Raumes von acht auf acht Metern im Qua
drat, strich alle Flächen, einschließlich Decke, und rührte sich dabei nur wenige Ballettschritte vom Fleck. Luciano beherrschte ein Repertoire von Liedern aus Walt Disney-Filmen, die er ab morgens um sieben mit unerbittlicher Fröhlichkeit pfiff und sang.
Des weiteren gab es den Schmied Nummer Eins, einen Meister seines Fachs, der aus dem Dorf stammte, aber fortgezogen war. Er war für vier Stockwerke Geländer im Marmortreppenhaus zuständig. Schmied Nummer Zwei, der siebzigjährige Gelsomino, wohnte mit seiner vielköpfigen Familie mitten im Dorf. Sein Vater hatte an der unvollendeten Erweiterung der Villa mitgebaut, bevor er 1916 zum Kampf nach Frankreich eingezogen worden war. Außerdem gab es noch einen Steinmetz mit einer verkrüppelten Hand und langen Lieferfristen, der den Marmor wie ein Maestro schnitt und bearbeitete.
Der Schreinermeister war ein sehr großer, schwer atmender Herr mit überaus gepflegten Umgangsformen. Dieser Riese mit der sanften Stimme schaffte sich die offene Treppenkonstruktion bis zu dem Stock hinauf, für den er gerade Fenster machte, und überprüfte jedes Maß mindestens dreimal. Er keuchte die Treppen hinauf und hinunter, kämpfte mit seinem Emphysem und unterhielt mich zugleich mit letzten Neuigkeiten vom traurigen Zustand seines überanstrengten Herzens. Seine Arbeit war durchgängig hervorragend, sein Gesundheitszustand hingegen schwankte. Ich wußte, wann er wieder im Krankenhaus war, denn dann kamen seine beiden Helfer in die Villa, die synchron arbeiteten, sprachen und hantierten. Der eine war ungewöhnlich groß und dünn, der andere klein und wie eine Haselmaus.
Morgens um neun und irgendwann am Nachmittag fand
im Haus oder auf dem Gelände eine kleine Party statt, dann machten zwei bis zwanzig Arbeiter Pause, tranken viele Liter des örtlichen Weins und ruhten sich aus. Zum Mittagessen (immer drei Gänge) gingen die meisten nach Hause, da sie am Ort wohnten. Der Installateur aber und sein Gehilfe saßen oft in einer Ecke auf einem Haufen Schutt, und jeder putzte eine ganze Salami mit einem Pfund ungesalzenen umbrischen Brots weg. Umbrien trotzte vor vielen Jahrhunderten der Salzsteuer, und als Zeichen ihrer Solidarität mit der Vergangenheit salzen die Papalini (die Einwohner dieses ehemaligen Kirchenstaates) ihre Mahlzeiten immer noch zu wenig und ihr Brot gar nicht.
6. Kapitel
S an Orsola kauert an einer Straße, die früher einmal wenige Kilometer hinter der Dorfgrenze aufhörte und in einen nahezu unpassierbaren Maultierpfad überging. Daher hatte niemand San Orsola zufällig oder auf Durchreise besucht. Es blieb von nahezu allem isoliert, was im übrigen Umbrien gut oder schlecht war, vom übrigen Italien ganz zu schweigen.
Die Orsolini wuchsen eng zusammen und heirateten untereinander. Von Reisenden, Banditen, ja sogar Steuereintreibern unbelästigt, lernten sie Fremde weder zu fürchten noch ihnen zu mißtrauen. Während des Zweiten Weltkrieges wurde ihre offene, freundliche Art auf eine harte Probe gestellt, doch trotz der Partisanen-Enklave erlebten sie nur wenige Vergeltungsschläge, und die meisten Bomben, die fielen, waren für größere, entfernt ähnlich aussehende Ziele bestimmt und trafen das Dorf aus Versehen.
Gegen Kriegsende versteckte es über ein Jahr lang zwei amerikanische Flieger und einen Offizier der englischen Luftwaffe. Die Flieger lehrten die Kinder das Lied »She'll be coming round the mountain when she comes«, damit sie es, wenn die Alliierten kämen, singen und so beweisen könnten, wie großherzig das Dorf unter deutscher Besatzung gehandelt hatte. Bis zum heutigen Tag höre ich häufig dieses »Singing aye aye yippie yippie aye«, und ich bin oft gebeten worden, den Refrain zu übersetzen, der so manchem Sechzigjährigen sehr viel bedeutet. Es ist für sie immer eine Enttäuschung, daß der Text nicht poetischer ist.
Die Berge um San Orsola waren voller Partisanen. Männer aus dem Dorf kampierten mit ihnen; der Barbesitzer des Ortes war ihr Bote. Als die Arbeiten am Haus vorangingen, kamen immer mehr Geschichten zum Vorschein und immer mehr Scheinwände. Als sie eingerissen wurden, lagen hinter einigen noch von Mäusen
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