Ein Haus in Italien
eines Recycling-Kunstwerks. Trotz des primitiv instand gesetzten Fußbodens war die Bausubstanz nahezu unversehrt. Im ersten Stock umlief sie, was als Ballsaal entworfen, aber als Getreidelager benutzt worden war. Dort war die Loggia als Idee erkennbar, aber es fehlten die Feinheiten. Am Ende aller ellenlangen Listen dessen, was zu erledigen war, noch nach den Undsoweiter, kam der Ballsaal. Wir machten dafür umfassende Pläne, und Robbie hatte schon die Farben des Marmors ausgesucht, der eines Tages als Fußboden verlegt werden sollte. Er bestimmte Gestalt und Größe der Kassettendecke, in Dutzenden von Skizzen und Zeichnungen des Maestro tauchten Balkontüren mit drei Rundbögen auf. Ich war unzählige Male mit Imolo und dem Elektriker, mit dem Schreiner und dem Marmorsteinmetz in diesem Raum hin und her, auf und ab gegangen. Dessen Ausbau war ein Projekt, über das alle sprachen und an das niemand glaubte.
Mir war es wichtiger, bei diesem wunderschönen, baufälligen Raum einen Anfang zu machen, als überall im nichtvorhandenen Garten Kabel für Video-Monitore zu haben. Ich drängte oft darauf, in diesem Paraderaum der Villa mit der Arbeit, und sei es nur Proforma-Arbeit, zu beginnen. Imolo war taub gegen mein Bitten; er verfolgte seinen eigenen Kurs, von dem er nur durch äußere Umstände, die Lieferfristen des
Marmorlieferanten oder Allie abzubringen war. Eines Nachts träumte er, Allie sei durch den Boden der Loggia auf den nackten Fels im Keller gestürzt. Am folgenden Tag schob er den Zementmischer hinters Haus, bereitete dort seine Mischung und verstärkte den Loggiaboden.
Am folgenden Tag entfernten der Maestro und ich, sehr zu Imolos Erheiterung, die neuen Zementklumpen, die auf die Sockel der elf Säulen gefallen waren, und hieben unsere Spitzhacke in die Steinsplitter, wo ich mir Blumenbeete um die Säulen vorstellte. In den Schutt am Sockel jeder der fünfeinhalb Meter hohen Säulen pflanzten wir abwechselnd Jasmin und Glyzinien, so daß sich deren gedrehte Stämme eines Tages bis über die aufwendig ornamentierten Terrakottakapitelle hinaus winden und ineinander verknoten würden. Sie würden anmutig die Balkone der Loggia im ersten Stock umranken, auf die man aus dem Ballsaal oder dem Salon heraustreten könnte, sobald Imolo Balkone und Ballsaal gebaut hätte. Sie würden den Saal mit berauschendem Duft füllen. Das alles erklärte ich Imolo und dem Baggerführer (der erst dazu gebracht werden mußte, die schlimmsten Felsbrocken in unseren Pflanzlöchern zu zerkleinern). Ich führte sie durch die staubigen Trümmer, sprang über Krater, die der Bagger gemacht und für spätere Sickergruben und Kanalisationsrohre offen gelassen hatte, sowie über andere Gräben, die ausgehoben und dann aufgegeben worden waren, Reste der Ausschachtungen für eine Wasserleitung, die in den fünfziger Jahren geplant war.
Am frühen Abend senkte sich Stille über das alte San Orsola, wenn der Bagger abgeschaltet wurde, der Preßlufthammer seine Vorstöße in den Stein einstellte, den er gerade attackierte, und die Fräsen ihr Sägeblatt nicht mehr durch die
Terrakotta-Fliesen schwirren ließ. Die Arbeiter jodelten nicht mehr »Imolo, zeig dich!«, Imolo erschien nicht mehr an einem der zweiundsiebzig Fenster wie der Kasper auf dem Jahrmarkt, der seinem Publikum zuruft. Eine Karawane lärmender 500er Fiats bewegte sich in Richtung Dorf, und auch wir verließen das Haus.
Um sechs war die schlimmste Hitze des Tages vorüber, und die Schotterstraße, auf italienisch zutreffend »weiße« Straße genannt, wurde wieder passierbar. Allie, bewaffnet mit Schwimmweste, Schwimmflossen und Taucherbrille, lief oft mit dem Kind Iseult voraus, um sich in Giovannis See zu stürzen, der zur Größe eines Teichs ausgetrocknet war. Ich nutzte die Gelegenheit, um, vor spöttischen Blicken geschützt, meine kümmerlichen Kräuter und Blumen zu pflegen, vom starken Duft der Lilien ermutigt, die unverzagt im erstickenden Unkraut blühten. Dann folgte ich meinen Kindern, ging an der blaugekleideten Madonna in ihrem Bildstock vorüber, um mich nach dem Schwimmen mit ihnen zu treffen. Sie tauchten zitternd und mit blauen Lippen aus dem Seelein auf, das sie mit Tausenden quakender Frösche teilten.
Wir folgten dem Pfad zum Bach, der auf unserer Seite des Tals die Tabakpflanzungen durchschnitt, und befanden uns auf der Zielgeraden zu Reginas Bar. Wir hielten an, um riesige Sträuße Winden zu pflücken, die am Wegrand blühten, und
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