Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ein Haus in Italien

Ein Haus in Italien

Titel: Ein Haus in Italien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa St Aubin de Terán
Vom Netzwerk:
lispelnden Adonis mit großen Händen zurück. Adonis kannte den palazzo gut, er hatte uns schon oft bei Tag besucht und war sicher, daß die heimtückischen Fallen für ihn keine Gefahr darstellten. Um drei Uhr eskortierte er das Kind zu ihrem Zimmer, wo sie umgehend in einen ohnmachtsartigen Schlaf fiel. Mit einer Kerze und einem Feuerzeug in Reserve wollte er den Rückweg ins Parterre antreten.
    Es war eine sternenlose Nacht, das Treppenhaus war in tiefes Dunkel gehüllt wie er selbst, nachdem ein Luftstoß vom Dach seine Kerze ausgeblasen hatte. Als Adonis sie mit dem Feuerzeug wieder anzünden wollte, erschreckte ihn ein Nacht
vogel, der von den morschen Balken auf ihn herabstieß. Er ließ die Kerze fallen und hörte sie so tief unten aufschlagen, daß er Angst bekam. Sein Feuerzeug war irgendwo neben ihm in den Bauschutt gefallen. Auf allen vieren begann er, danach zu suchen, verlor die Orientierung und fand sich an einem Eisenträger über dem Abgrund hängend wieder. Da er ein gut trainierter und muskulöser Adonis war, hievte er sich auf die Kante des langen Korridors zurück. Er behielt die Ruhe; er war mit dem Grundriß des Hauses vertraut, er würde sich hinauslotsen, indem er sich am rohen Putz und am Mauerwerk entlangtastete und die Türen bis zur hinteren Treppe zählte.
    Er konnte nicht wissen, daß Imolo am Tag zuvor die Einbauten der früher hier untergebrachten Ställe entfernt hatte. Ehemals zugemauerte Türöffnungen waren offen, eine Türöffnung, die es gab, solange Adonis lebte, war jetzt zugemauert. Je länger er sich an den Wänden entlangdrückte und Öffnungen zählte, um so verwirrter wurde er, bis er jede Orientierung verlor und überall anstieß. Nachdem er ein weiteres Mal auf den Träger geklettert war und in der Luft gebaumelt hatte, gab er auf und kroch (mit ruinösen Folgen für seine Armani-Hose) in einen relativ sicheren Winkel, wo er an einen Berg Werkzeug gekauert wartete, bis die Dämmerung ihn retten würde. Er saß dort über zwei Stunden und wimmerte, wenn er seine Schnittwunden, seine blauen Flecken und seinen verletzten Stolz befühlte. Mehrmals war mir, als hörte ich ihn rufen, aber das Haus war voller wimmernder Katzen, jaulender Köter und Nachtvögel, so daß ich mich umdrehte und weiterschlief.
    Ich versuchte das Kind Iseult zu überreden, ihre Freunde zu überreden, zum einen die Motoren abzustellen, wenn sie
sie abholten, und zum anderen nach ihr zu rufen, statt weiterhin dieser besonders enervierenden Huperei zu frönen. Sie brauchte außerordentlich lange, um ihrer ausgedehnten Toilette für diese Ausflüge den letzten Schliff zu geben, so daß das Dröhnen und Quäken bis zu einer halben Stunde dauern konnte. Aber meine Kinder sind sehr italienisch und lieben beide den Lärm aufheulender Motoren und blökender Hupen. Also wurde die Stille der Nacht weiterhin zerrissen, und das Lied der Nachtigall, die irgendwo weit oben in einer Zypresse saß, immer wieder von der Autokarawane verschluckt. Immer mehr Autos kamen wegen des Kindes Iseult und wegen der Beauties. Lange nachdem sie abgefahren waren, bogen immer noch kleine Karawanen Hoffnungsfroher in unsere steinige Auffahrt.
    Bereits seit Ende Mai war unser Gelände immer mehr zu einem ländlichen Parkplatz geworden. Wer in den umliegenden Wäldern funghi suchte, kannte den palazzo und war gewohnt, ausgerechnet dort sein Auto abzustellen und gegebenenfalls in sein Pilzsucher-Kostüm zu schlüpfen, wo eigentlich unser Garten sein sollte. An Wochenenden standen unweigerlich Autos vor dem Haus, bevor wir auch nur aufgewacht waren. Ich versuchte die Missetäter abzufangen, indem ich bei Tagesanbruch aufstand, aber sie kamen noch früher. Ich versuchte von dem Kind zu erfahren, ob die Autos da waren, wenn sie von der Disco zurückkam, aber sie war zu benommen, sie wußte es nicht. Ich fragte die Beauties, aber sie waren zu müde, sie wußten es nicht. Also wuchs die Autokippe. Imolo begann etwas von einem Tor zu murmeln, aber da es weder Zaun noch Mauer gab, das Land an manchen Stellen als nackter Fels abfiel und es zudem mehrere Zugangsstellen gab, wo die Bulldozer sich in den Hang gefressen hat
ten, war kaum auszumachen, wo etwas derart Offizielles wie ein Tor hätte installiert werden sollen. Allie beschloß, für das Befahren unseres Geländes Gebühren zu erheben. Er verbrachte ein Wochenende mit dem Malen eines Schildes, auf dem in burgunderfarbenem Lack ›10 000 Lire‹ stand. Dann verbrachte er viele Stunden

Weitere Kostenlose Bücher