Ein Haus in Italien
herumliegende Stachelschwein-Stacheln aufzulesen. Das letzte Stück Straße war von Walnußbäumen gesäumt. Über die Hauptstraße, die auch nicht viel mehr war als ein asphaltierter Pfad, ging es den gegenüberliegenden Hang hoch zur Bar. Als Zugeständnis an das Sommergeschäft hatte Regina zwei lange, wacklige Bänke vor die Wand ihrer Kneipe gestellt und davor einen weißen Plastiktisch.
Um halb sieben waren alle Plätze von erschöpften Tabakbauern besetzt, die fast völlig in Lumpen gekleidet waren. Sie saßen zusammengesackt, den Kopf nach unten auf den hühnergescharrten Staub zu ihren Füßen gesenkt. Das Trinken war ein hastiges Kippen. Kaum war ein Getränk bestellt, wurde es in einem Zug hinuntergestürzt und das leere Glas sofort an Regina oder den umherstehenden Carlo zurückgereicht, als müsse jede Spur verwischt werden. Daher wirkten die Tabakbauern wie Antialkoholiker, während sie sich in Wahrheit heillos betranken. Zwei Neuankömmlinge ließen ein Tablett mit dickflüssigem Weißwein kommen, schütteten ihn wie Medizin in sich hinein und sackten wieder zusammen.
Imolo, Gigi und noch ein paar von unserem Bautrupp saßen lieber auf einer niedrigen Steinmauer an einer Seite der Bar. Sie unterschieden sich von den Bauern durch ihre Overalls sowie den Zementstaub in Haar und Gesicht. Auch sie tranken verstohlen, und auch sie wirkten von Müdigkeit überwältigt. Bei Allies Ankunft schüttelte Imolo einige seiner fünfzig Jahre ab und machte ihm auf der Mauer Platz. Ein Chor geknurrter »Buona sera« begleitete unsere Ankunft. Regina legte das Kaninchen beiseite, das sie gerade ausnahm, und spülte die Hände flüchtig unter dem Wasserhahn ab, bevor sie uns mit blut- und gallenfleckigen Fingern bediente. Ich kippte ein kleines Glas rauhen Vecchia Romagna gegen die Erschöpfung durch die Tretmühle, die mein Los geworden war. Mein Leben schien im wesentlichen darin zu bestehen, nutzlos im Kreis zu rennen, was fast so ermüdend wie ein Tagespensum harter Arbeit ist, aber leider weniger produktiv.
Wie auf ein geheimes Zeichen standen alle Männer auf und drängten in die enge Bar, wobei sie soviel Lärm wie möglich
machten. Einem Starenschwarm gleich, der sich auf Telegrafendrähten niederläßt, bildeten sie Gruppen von jeweils vier Spielern. Die übrigen wurden zu selbsternannten Schiedsrichtern, und eine Runde konzentrierten Kartenspiels begann. Imolo bekam immer einen Platz, und Allie stand dicht an seinem Ellbogen.
Im palazzo hatten wir einen Telefonanschluß und eine Telefonnummer, aber kein Telefon. Man hatte uns versichert, der Apparat sei sozusagen schon da, mit Betonung der vielen Bedeutungsnuancen von »sozusagen«. Daher erledigte ich meine beruflichen und privaten Anrufe weiterhin von Reginas Telefon. Dieser öffentliche Fernsprecher hing an der Wand, darunter häufte sich der zusammengekehrte Dreck vom Bar-Fußboden. Neben Staub, Bonbonpapier und Kippen lagen da auch Federn und Hühnerfüße.
Das Kind Iseult nutzte die Hauptverkehrszeit in der Bar, um sich in auffälliger Abgeschiedenheit auf eine der jetzt leeren Bänke zu setzen. Die Burschen und jungen Männer drifteten langsam aus der Bar in die Abendsonne zurück, um sich mit ihr zu unterhalten. Um halb sieben gesellten sich die Beauties zu ihr – angemalt, aufgedonnert und zu allen Schandtaten bereit. Kurz danach kam in einer Staubwolke Maestro Robbie mit aufheulendem Motor angefahren und parkte das Auto gewagt am abschüssigen Hang. Mehrere Männer sprangen auf, um ihm in die Rippen zu boxen und in den Ellbogen zu zwicken. Sie luden ihn zum Trinken ein, ließen ihn aber nie einen ausgeben. (Er ist Biertrinker, und sie tadeln ihn, weil er nicht Wein trinkt.)
Aus den hohen Fenstern der Villa ging der Blick über die Baumreihen hinweg auf die Tabakpflanzungen. Ich stand immer früher auf, nicht nur, um vor der Invasion der Arbeiter
auf den Beinen zu sein, sondern auch, um mich um meine Lilien und die beiden erstaunlichen Winden zu kümmern, die der rätselhaften Epidemie getrotzt hatten, von der ihre Artgenossen dahingerafft geworden waren. Eine der Winden hatte sich als Stütze einen absterbenden Pflaumenbaum gewählt, der genau dort stand, wo eines Tages mein Kräutergarten sein würde, wo sich zur Zeit aber noch das Widerstandsnest einiger Tomaten befand, die sich, lange nachdem die letzten grünen Bohnen und Salatköpfe vor dem heranrückenden Unkraut bedingungslos kapituliert hatten, durch den Sommer kämpften. Jede
Weitere Kostenlose Bücher