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Ein Haus in Italien

Ein Haus in Italien

Titel: Ein Haus in Italien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa St Aubin de Terán
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Hunderte von Menschen zu dieser Messe gekommen. In jedem Bauernhaus in den Bergen«, sagte er und schwang seinen winzigen rechten Arm in einer so stürmischen Geste, daß die Wiesenblumen fast vom Kruzifix geflogen wären, »lebten bis zu dreißig Menschen. Jetzt stehen diese Häuser leer. Das Tal hat in der Vergangenheit viele Prüfungen überlebt, aber in jenen Tagen waren die Sorgen leichter zu erkennen, sie trugen keine Maske.«
    Das Abendmahl wurde ausgegeben, und in die relative Stille, die dabei herrschte, echote von einem der Köche ein wehklagendes »Dio buono!« den Berg hinab. Flüsternd diskutierte man die Identität des Übeltäters. Einige Köche und Helfer wurden sofort freigesprochen mit der Begründung, der Fluch sei für sie viel zu gemäßigt.
    »Eh, Dio buono! Der hätte doch mindestens noch ein Schwein oder einen Hund ins Spiel gebracht.«
    »Oder ein Stachelschwein!« piepste Cenci dazwischen.
    »Eh, sì , eh!« Allgemeine Zustimmung wurde laut und übertönte die letzten Worte von Don Annibales Segen. Dann wandten sich alle dem Schuppen zu und den heranwehenden Düften des Mittagessens.

12. Kapitel
    D ie Orsolani haben die Ausrichtung dörflicher Festessen zu einer Kunst ausgebildet. Bei vielen hundert Krügen ihres schweren Trebbiano-Weins haben sie über jeden Aspekt ihrer Vorbereitung und Durchführung nachgedacht. Für jeden Abschnitt des großen Plans fanden sich Teams derjenigen zusammen, die dafür am besten geeignet waren. Eine Gruppe montierte die drei Meter langen Grills auf Böcke, brannte die Äste zu Holzkohle und kümmerte sich um den Brennstoff-vorrat. Eine andere marinierte Lamm-, Hühner- und Schweinefleisch, Enten und Tauben, die zum Grillen bestimmt waren. Ein weiterer (unersetzlicher) Helfer war Giacomo, der Fleischkoch. Aufgrund seiner Fähigkeiten war er überaus gefragt. Er widmete sich seiner Aufgabe mit soviel Anmut, wie seine gewaltige Gestalt ihm erlaubte. Er war knapp zwei Meter groß, und seine Schultern waren so breit, daß es aus der Ferne aussah, als beugten sich mehrere Männer über das Grillfleisch. Er war der einzige Mann im Dorf, der die muskulösere der gigantischen irischen Beauties im Armdrücken schlagen konnte. Auf seinem Gesicht stand stets ein leeres Grinsen.
    Drei andere Männer, darunter Imolo, waren dafür zuständig, die Tiere zum Schlachten zu bringen und anschließend zu zerlegen. Imolo gehörte zu den wenigen Dorfbewohnern beiderlei Geschlechts, die beim Töten von Tieren zimperlich waren. Er zerteilte sie und nahm sie aus, schreckte aber davor zurück, ihnen das Leben zu nehmen. Alles Gefiederte galt natürlich als Frauenarbeit und mußte daher auch von Frauen
liquidiert werden. Maria del Gallo, Nunzia und eine Freundin waren die Fleischsoßenköchinnen für den ersten Nudelgang. Das war ihr Stolz und ihre Spezialität. Maria d'Imolo steuerte ihre besondere Paste aus Hühnerleber und Innereien bei, die mit Sellerie, Zwiebeln, Knoblauch und Petersilie gekocht und auf die unabdingbaren crostini gestrichen wurde – unabdingbar, weil zu jedem umbrischen Essen irgendwann zu den beiden antipasto -Gängen drei Sorten crostini serviert werden müssen. Die dünnen Brotscheiben wurden mit Tomate, Paprika und Knoblauch, funghi (je nach Saison mit oder ohne Trüffel) oder der erwähnten Leber – fegatello  – bestrichen. Das Wort festa  – ob Party, Abendessen, Mittagessen, Erstkommunion, Taufe, Hochzeit, Picknick, Cocktail, einfach jede Art von Einladung – beschwor sofort drei Sorten crostini herauf, gefolgt von zwei Varianten Pasta und Fleisch.
    Unsere Einführung in die ortsübliche Speisefolge hatte bei Maria und Imolo begonnen, sie gehorchte einem unabänderlichen Muster, das sich in jahrhundertelanger Tradition gebildet hatte. Die landlosen contadini bekamen ein solches Festmahl nur dreimal im Jahr. Zum einen bei diesem Mittagessen, das früher der padrone am Tag der Madonnina der Felder für seine Feldarbeiter ausrichtete; dann am Namenstag des Schutzheiligen des Dorfes; und schließlich am Neujahrstag, an dem jeder Haushalt, egal wie arm, mit einem Festschmaus Weihnachten feierte. Und ein Festschmaus beginnt mit drei Sorten crostini  …
    Jedesmal wenn ich einen Ausflug in die öffentlichere Welt des Dorfes machte, entdeckte ich ein weiteres Detail unseres Privatlebens. Bei jenem ersten Festessen entdeckte ich, daß das Kind Iseult sich verliebt hatte, nicht, wie man meinen
könnte, in einen der Burschen des Ortes, sondern in die

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