Ein Haus in Italien
ich aus den verlassenen venezolanischen Anden zurückgekehrt, wo ich in eine Zuckerrohr- und Avocadoplantage hineingeheiratet hatte; aber unser Umzug aufs Land weckte offenbar meine Liebe zur Erde aus ihrem Winterschlaf. Ich betrachtete mit professionellem Blick die lange Walnußbaumallee und das langsame Reifen ihrer grünen und gefleckten Früchte. Ich bemerkte die Kräuselkrankheit an Nunzias Pfirsichbaum, den Blattbrand an den gerade umgesetzten Paprikapflanzen, aber vor allem bemerkte ich das wachsende Verlangen in mir, zu säen und zu ernten.
Es war tagaus, tagein heiß. Die Beauties verloren ein klein wenig an Attraktivität, als sich ihr Sonnenbrand schälte und Blasen bekam. Das Kind, das, wie ich auch, von Natur eine dunkle Haut hat, wurde tief zimtfarben, und sie verglich den Farbton täglich mit Allies weniger bräunungswilligem Teint und Robbies nahezu ebenso spektakulärer Färbung. Da ich fast die ganze Zeit drinnen bei Imolo und den Arbeitern blieb, war ich zum ersten Mal die blasseste der Familie. Wir aßen zwar immer noch im künftigen Garten zu Mittag und tranken dort auch weiterhin unsere (im Handumdrehen lauwarmen) Kaltgetränke, erkannten aber langsam die dringende
Notwendigkeit von Schatten. Wir dachten immer häufiger an Pergolas und Lauben, überdachte Wege und großblättrige Bäume.
Mein ursprünglicher Gartenentwurf, mindestens hundertmal mit allen dazugehörigen Pflanzenlisten skizziert, mußte verändert werden, um diesem neuen Aspekt Rechnung zu tragen. In den beiden Gärten, die ich in Norfolk restauriert hatte, hatten sehr alte Bäume gestanden, die Rekonstruktion war eher eine archäologische Grabung als ein kreativer Akt gewesen. Ich hatte noch nie eine Baustelle in einen schönen Garten verwandelt. Selbst in Venezuela, wo ich im Grunde bei Null angefangen hatte, war »Null« ein Garten in einem Innenhof gewesen, der auf drei Seiten von Kolonnaden und auf der vierten von einem riesigen Avocadobaum begrenzt war. Mein Traum für Umbrien waren eine Mischung aus englischem Landhaus-Garten und einem tropischen Wunschbild.
Ich begriff, daß es zu heiß war, um an einer Staudenrabatte im englischen Stil entlangschlendern zu wollen (falls mir jemals eine gelingen sollte), wenn an deren Ende nicht ein schattiger Platz und vielleicht ein Brunnen lockten. Da ich von Natur aus unsportlich bin, wurden mir diese Überlegungen besonders wichtig. Vor meinem geistigen Auge sah ich mich, in der Zeit nach der Entfernung des Bauschutts und nach der harten Arbeit, Wege und Beete anlegen und Bäume, Ableger und Blumenzwiebeln pflanzen, mich räkelnd in einer Amazonas-Hängematte liegen, mit etwas Kühlem zu trinken und einem schattigen Platz zum Lesen. Selbst mir fiel es manchmal schwer, aus dem, was der Bulldozer angerichtet hatte, in meiner Phantasie jene Idylle entstehen zu lassen – von der Vorstellungskraft anderer ganz zu schweigen. Aber
ich arbeitete darauf hin und zwang mich, an meinen Traum zu glauben. Wenn ich darüber sprach, was ich recht häufig tat, ließ meine Familie mich gewähren. Robbie half mir sogar, den Garten neu zu planen und Schatten und Lauben gegen die Sonne einzufügen.
Ich begann, mir Monat für Monat Gedankennotizen zu machen, was in anderen Gärten gut wuchs und was lediglich überlebte. Diese Gärten waren begrenzt. Der typische San Orsola-Garten bestand aus Bäumen, Gras, ein paar Blumen, einem riesigen Gemüsebeet und vielleicht ein paar Weinstöcken. Die beiden Marias hatten mehr Blumen als die anderen. Blumen waren, wie Geflügel, Sache der Frauen, ihre Bestimmung der Friedhof.
Ich sah, wie meine Winden blühten und welkten und wie sich die Lilien unverdrossen ihrer Blütezeit näherten. Ich sah, wie sich Schmetterlingsschwärme über den weitaus zahlreicheren Brennesseln trafen, und ich träumte von zahllosen Blumen, die eines Tages da sein würden, wo jetzt Schutt war. Bis dahin machte ich Kompromisse und pflanzte Palmen, Rosen, Hibiskus und Oleander in Terrakottatöpfe.
Eines Tages zog eine Herde schmuddeliger sardischer Schafe zu einer gemähten Wiese oberhalb des Baches, und ihre Halsglocken klangen wie eine fremde, malerische Symphonie. Am folgenden Tag rief ich meine Familie herbei, damit sie sah, wie wunderschön die Schafe als schäumender Fluß elfenbeinfarbener Wolle den Hang hinunterglitten. Einen Tag später gingen wir alle in die Bar mit dem wilden Wein, um Tischfußball zu spielen, und kamen erst nach Einbruch der Dunkelheit zurück. Tags darauf
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