Ein Haus in Italien
hiesige Variante der penne al pomodoro (kurze Makkaroni mit frischer Tomatensauce). Ich mußte sie davor bewahren, buchstäblich in die Servierschüsseln zu fallen, die zwei beschürzte Hausfrauen herumreichten. Eine Leidenschaft, die mit gemeinschaftlichen Mittagessen im Dorf begonnen hatte, blühte und gedieh in solchem Maße, daß Iseult sich noch heute im wesentlichen von diesem Gericht ernährt. Die Erinnerung an diese ersten Begegnungen mit bislang unvorstellbaren Mengen mag erklären, wieso sie später, wenn sie im palazzo auf sich allein gestellt war, riesige Portionen davon kochte: genug penne al pomodoro für eine ganze Armee oder eine Zusammenkunft aller Orsolani.
Der Schuppen hatte keine Fenster, sondern Terrakottasteine mit wabenförmigen Löchern, so daß von drei Seiten kühle rosa Lichtpfeile einfielen. Der Boden war mit Ginsterblüten bestreut, ihr Duft mischte sich mit dem Duft des schweren Weins, der in Fässern an der Tür stand. Imolo wollte, daß Robbie sich wohl fühlte. Daher flüsterte er ihm weithin hörbar zu, der Wein sei von der Familie gestiftet, die früher einmal Besitzer des Landgutes und unseres Hauses gewesen sei. Er zeigte ihm einige Herren dieser ehemals illustren, nun jedoch im Abstieg befindlichen Familie, die um die Klapptische saßen. Robbie verstand von all dem kein einziges Wort und wollte die Beauties zum Übersetzen anheuern. Nur eine von ihnen sprach Italienisch, und zwar nicht die, die er fragte. Es beanspruchte die ersten drei Gänge des Essens, das daraus resultierende Durcheinander zu jedermanns Zufriedenheit zu klären.
Große Weinflaschen ohne Etikett wurden tischauf und -ab gereicht und passierten dabei Barrikaden aus Sprudelwasser
und Orangenlimonade. Ich saß Beppe del Gallo gegenüber, eingezwängt zwischen Allie und Robbie. Imolo kidnappte Allie fast, noch bevor das Essen anfing; Robbie war vollauf damit beschäftigt, das Rätsel von Wein, Schuppen und palazzo mit allen zu lösen, die an einer Klärung des Problems interessiert waren.
Auf Beppe del Gallos dicken Lippen lag immer ein halb entschuldigendes Lächeln. Er hatte den Gesichtsausdruck eines unartigen Jungen, der von seinem Lieblingsonkel beim Äpfelklauen erwischt wird. Seine Haut hatte den violetten Ton eines Kartoffelessers, der in Beppes Fall durch eine freudige Zuneigung zum eigenen, ebenfalls violettfarbenen Wein noch verstärkt wurde. Nach fünfzig Jahren Schinderei in der Landwirtschaft (die meiste Zeit im eisernen Griff des Halbpachtsystems mezzadria ) hatte er sich zur Ruhe gesetzt. Wie bei den meisten Rentnern der Gegend hatte dies seinen Tatendrang oder seine Energie nicht vermindert. Das Alter machte ihn nur langsamer. Man konnte ihn immer noch von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang vor unseren hinteren Fenstern in seinem gepachteten Weinberg oder in seinem Gemüsegarten werkeln sehen. Er erzählte mir:
»Dieses Jahr haben wir einen langen Streifen Land gepachtet und gepflügt. Wir werden grènturco (Mais) auch für den Markt haben. Und am Ende des Jahres habe ich säckeweise Kartoffeln … jede Menge … zu verkaufen. An den Gräben habe ich Wassermelonen.«
Wenn die Dürre kam und die Tabakarbeiter in den Feldern vor Hitze fast umfielen, würde er ihnen Wassermelonen verkaufen. Der Gedanke an diesen zukünftigen Wohlstand und seine Schlauheit freute ihn ohne Ende. Er hatte sein Schicksal überlistet: Er würde nicht als armer, landloser Bauer sterben.
Er beugte sich über den Tisch und schob sein Gesicht mit den geplatzten Äderchen näher an meines.
»Im letzten Monat ist ein Stachelschwein in meinen Saubohnen gewesen. War es auch bei euch? War es hinter euren Bohnen her?«
Ich wünschte, ich hätte Saubohnen gehabt, hinter denen etwas auch nur halb so Exotisches wie ein marodierendes Stachelschwein hätte her sein können. Aber in der allgemeinen Atmosphäre von bonhomie schien es nicht angebracht, den betrüblichen Zustand meines Gartens zur Sprache zu bringen. Statt dessen versicherte ich ihm, daß kein Stachelschwein durch den Weinberg auf unser Land gekommen sei.
»Eh, no , eh!« sagte er und sah sich um, damit seine Nachbarn sich am Gespräch beteiligten: zu seiner Rechten Gianni mit dem Mikrophon, zu seiner Linken ein Angehöriger des Schlangenkopf-Clans. »Eh, no , eh! Weißt du überhaupt, was ein Stachelschwein ist?«
Seine Gefährten parierten aufs Stichwort, und alle drei Männer begannen, verschiedene Eigenschaften des Tiers zu beschreiben. Hätte ich nicht bereits
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