Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ein Haus in Italien

Ein Haus in Italien

Titel: Ein Haus in Italien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa St Aubin de Terán
Vom Netzwerk:
schweres Stück Terrakotta vom Gerüst fiel. Es war ein ornamentiertes Giebelfeld für den Architrav im ersten Stock, unersetzlich und schwer. Robbie stand direkt darunter. Der Junge, der es aus Versehen umstieß, schrie auf. Imolo rief nach unten: » Attenzione, Maestro! «
    Obwohl Robbie noch immer nahezu kein Italienisch ver
stand, erfaßte er die Dringlichkeit in Imolos Stimme und fing das fallende Stück im Reflex auf. Die Arbeiter waren sprachlos vor Bewunderung. Imolo rief aus einem Fenster im zweiten Stock, vor dem kein Gerüst war, Respektsbekundungen.
    » Complimenti, Maestro. Bravo! «
    Robbie bemühte sich derweilen, sein Mittagessen bei sich zu behalten und nicht umzukippen, als er den würdevollen Rückzug in das Ghetto des Erdgeschosses antrat, um sich wegen eines heftig verstauchten Handgelenks und einer verrenkten Schulter behandeln und verbinden zu lassen.
    Nachdem der erwachsene Teil unserer Familie damit auf Imolos eigenem Terrain etwas Anerkennung errungen hatte, mochte keiner von uns zugeben, wie Robbie zu seinen Verletzungen gekommen war. Unglücklicherweise begründete dies den unzutreffenden Ruf körperlicher Stärke. Sobald etwas extrem Schweres zu tragen war, sagte Imolo: »Warte, hole den Maestro, er ist wirklich stark, denkt an die Terrakotta damals, eh, ruf ihn.«
    Der Held wider Willen hatte damit einem Leistenbruch den Weg geebnet. Der aber war, wie die Wege bei den dörflichen Prozessionen, wenigstens mit Blütenblättern bestreut.
     
    Hinter Imolos Rücken gab ich mir nach wie vor die allergrößte Mühe, meine jämmerlichen Stangenbohnen davon zu überzeugen, mich nicht im Stich zu lassen. Ich hatte sie spät gepflanzt, sie hatten spät geblüht, und sie brachten ein paar verkümmerte Bohnen hervor, als die Zeit für Bohnen vorbei war. Die Lilien blühten und verwelkten in der Hitze nach einer Woche bemerkenswert schöner Blüte. Die Winden gediehen und ebenso, obwohl alles dagegen sprach, meine sieben verheimlichten Tomatenpflanzen. Ich bestätigte Imolos
Urteil genereller Unfähigkeit, da ich nicht davon abzubringen war, in der verkrusteten Erde des Gemüsebeetes herumzukratzen und zu versuchen, Rauke und Kopfsalat zum Wachsen zu animieren. Ich wartete mit dem Gießen, bis Imolo mit der Arbeit fertig war, und zerrte dann einen Schlauch um das Haus. Der Schlauch war warm, wie der erste Wasserstrahl, der herauskam. Er reichte nicht ganz bis zu den hintersten Pflanzen, darum schmuggelte ich Wasser in Eimern zu ihnen hinaus und kratzte von einer versteckten Pflanze zur anderen kleine Gräben.
    Alle Gemüsegärten im Dorf sahen gleich aus, sie wurden am selben Tag gegraben, gedüngt und gepflanzt. Imolo hatte angeboten, im Herbst mit dem Traktor zu kommen und unsere Erde zu pflügen, wenn er seine pflügte. Er glaubte nicht an halbe Sachen. Ich wußte, er hätte es mißbilligt, daß ich »meine Zeit damit vergeudete«, etwas in die Ödnis meines Gemüsegartens zu pflanzen, bevor die Zeit zum Pflügen gekommen war.
    Die Lilien erwiesen sich als meine besten Verbündeten. Imolo meinte, die Blüten seien Ausreißer, ihr offensichtliches Gedeihen pures Glück, aber ich wußte, daß auf dem völlig vernachlässigten Boden Glück nicht gereicht hätte, um Blüten dieser Qualität zu bekommen, wenn an diesem Garten nicht wirklich etwas Ungewöhnliches wäre. Ich konnte Maria und Imolo einen Strauß für den Friedhof bringen. Ich konnte in Marias Lob baden und auf Imolos Gesicht echte Überraschung sehen. Auch unsere beiden holländischen Freunde waren beeindruckt und hatten angeboten, mir soviel Blumenzwiebeln zu schicken, wie ich haben wollte, damit ich herausfinden konnte, ob Lilien die Lösung für ein Problem sein könnten, das mich seit einiger Zeit beschäftigte.
    Unter der Apathie infolge der Hitze, unter dem Gefühl des Wohlbehagens aufgrund der Stimmung im Dorf und unter meinem Glück, mein Traumhaus gefunden zu haben, nagte die Angst an mir, daß etwas im Anflug sein könnte, um unsere Pläne zu durchkreuzen. Je mehr ich mit den hiesigen Bauern sprach, je mehr ich über ihre Ernte und ihren Verdienst erfuhr, ihre Methoden und Mittel, um so deutlicher bekam ich den Eindruck, daß Tabak ein ernstes Problem war. Nicht nur vergifteten die Schädlingsbekämpfungsmittel das Tal und töteten alle Vögel und Insekten, die unbesonnen genug waren, sich den behandelten Pflanzen zu nähern. Durch das ausgiebige Bewässern gelangten die belastenden Substanzen auch in den Fluß, töteten die

Weitere Kostenlose Bücher