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Ein Haus in Italien

Ein Haus in Italien

Titel: Ein Haus in Italien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa St Aubin de Terán
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ältester Freund, Paddy der Ire, kam und verschmolz mit Landschaft und Gemäuer. Manchmal wurde nachmittags, trotz glühender Hitze, im Freien ein etwas primitives Cricket gespielt. Wir hatten nie genug Besucher, um richtige Teams aufzustellen, aber auf jeder Seite spielten sie zu dritt oder viert und diskutierten endlos, wer in die abschüssigen Brombeerhecken kriechen und den Ball holen mußte, der unweigerlich in deren Tiefen landete.
    Die Beauties begannen mit den Vorbereitungen für ihre Abreise. Allie bereitete sich auf die Schule vor. Er war ordnungsgemäß angemeldet und eine Mappe mit allen Dokumenten – Impfbescheinigungen, Geburtsbescheinigung in doppelter Ausfertigung, Bescheinigungen, wo und mit wem er lebte – waren den entsprechenden Behörden vorgelegt wor
den. Da er den Mittelgroßen Daniele anbetete, der schon zur gleichen Schule ging, war er nicht halb so nervös, wie er es sonst gewesen wäre. Der Mittelgroße Daniele hatte ihm eine Liste aller Gegenstände gegeben, die er für die Schule brauchte, sowie eine Liste mit der Ausrüstung, die er haben mußte, wenn er Mitglied der Jugend-Fußballmannschaft werden wollte. Auf dieser zweiten Liste waren kurze Hose, Trikot, Socken und Schuhe der geringste Teil des Gepäcks. Jeder Junge mußte mit Föhn, Haargel, Bademantel, Badeschuhen, Shampoo und Kamm bewaffnet antreten. Sie kehrten von ihren Spielen zurück wie ein Trupp knospender Valentinos.
    Wir besuchten weiterhin Reginas Bar und auch die andere Bar. Auch als wir Reginas Telefon nicht mehr brauchten, da unser eigenes in der Villa angeschlossen war, kehrten wir immer wieder zu der eigenartigen Pantomime dieses Ortes zurück, um der alten Zeiten willen und um auf der unebenen Sandbahn Boccia zu spielen.
    Die Gespräche wiederholten sich oft und bestanden aus lauter Fragen und Antworten. Die erbetenen Auskünfte waren immer die gleichen, herausgekitzelt, angezweifelt und nochmals erfragt. Für die Einheimischen war es schwer zu glauben, daß jemand, der bei Verstand war, den palazzo in Angriff nahm. Das hatte seit Mitte des Ersten Weltkrieges niemand ernstlich versucht. Niemand hatte seit der Jahrhundertwende echte Fortschritte erzielt. Würde er je fertig werden? Stimmte es, daß er dreihundertfünfundsechzig Fenster und Türen hatte, eins für jeden Tag des Jahres? Stimmte es, daß es Zimmer gab, in denen noch nie jemand gewesen war? Stimmte es, daß man starb, falls man in den Treppenschacht hinabfiel? Stimmte es …
    Diese Fragen, talauf, talab ständig wiederholt, kamen von
Menschen, die das Haus besser kannten als wir, aber ich vermute, sie wollten diese Sachen von uns hören, um uns zu einem Teil ihrer Gemeinschaft zu machen, indem sie unsere Stimmen, wenn schon nichts sonst, mit ihren Mythen verbanden.
    Die wichtigste Frage lautete allerdings nicht so sehr, was wir dort taten, nicht einmal, wer wir waren, sondern immer, ob es uns gefiel. Gefiel uns San Orsola? Wußten wir zu schätzen, welch einzigartig anständigen Ort wir uns als Wohnsitz gewählt hatten? Anfangs waren unsere Bestätigungen von Hoffnung geprägte Höflichkeiten. Doch als die Monate ineinander übergingen, von Ernten und Dorfritualen unterbrochen, erkannten wir langsam, wieviel Glück wir gehabt hatten, in eine geschlossene und doch so offene Gesellschaft hineingestolpert zu sein.
    Im September wurde mit dem Einpassen der Fenster und Fensterläden im ersten Stock begonnen. Sobald dies geschehen war, würde der erste Stock (mit Ausnahme der Türen) fertig sein. Die Kronleuchter hingen, in der großen Küche war das Telefon angeschlossen, das Kind halbe Tage an dessen Hörer geschmiedet. Die Räume waren möbliert und elegant, nachdem sie all unsere Schätze geschluckt hatten und immer noch geräumig wirkten. Auf den oberen Korridor war nicht so viel Arbeit und Zeit verwendet worden wie auf den unteren, so daß man dort zwar nicht durchbrechen konnte, aber beim Laufen vorsichtig auftreten und die richtigen Balken treffen mußte, um auf dem Fußboden im darunterliegenden Stockwerk keine Spur aus Putzstückchen zu hinterlassen. An guten Tagen sahen die großen Schlafzimmer mit ihren Möbeln, Decken und Teppichen und mit den Fensterreihen, die nach Westen, beziehungsweise nach Norden oder Osten gin
gen, wirklich beeindruckend aus. Hier waren unsere Gäste eingezogen. Die oberste Etage (die dritte) war weiterhin nur Robbies Atelier. Über dem Ballsaal war noch ein Raum von gleicher Größe, aber niedriger, den wir

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