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Ein Haus in Italien

Ein Haus in Italien

Titel: Ein Haus in Italien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa St Aubin de Terán
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irgendwelche Nippes geschrubbt hatte, rief sie Paris an und erzählte allen, die es hören wollten, den Ablauf eines frei erfundenen Tages. In echter Andenmanier gab sie vor, an solchen Tagen nichts getan zu haben, als ohne Sattel wehenden Haars über die Hügel zu reiten. Als ich sie wegen ihrer unverfrorenen Phantasiegeschichten rügte, war sie uneinsichtig und hielt mir vor, wie oft ich selbst von der Wahrheit abwiche.
    Der 15. September war der Tag der nocino -Abfüllung. Silvio der Dichter kam herausgeputzt, ganz Dandy, aufgeregt und von vier seiner fünf Töchter, zwei Söhnen sowie einer Enkelin begleitet, die das Aussehen und die Ausstrahlung einer jungen Gina Lollobrigida hatte. Alle waren wie für einen Ball gekleidet, wobei Gold- und Silberlamé vorherrschten. Die früheren Besuche waren etwas angespannt gewesen; jetzt wurde mir klar, daß Clara und ihre Schwester Graziella ausgesprochen scheu gewesen waren. Dieser Besuch zeichnete sich durch seine Heiterkeit aus. Wir bestanden unseren Rührtest, die abgesiebten Zitronenschalen- und Gewürzreste waren eine so abscheuliche Pampe, wie Silvio es sich nur wünschen konnte, und das Dekantieren konnte beginnen.
    Silvios Kinder klagten alle über seine ungezügelte Lebens
weise. Der jüngste Sohn war achtunddreißig, der älteste sechzig. Clara beschwerte sich darüber, daß sie ihrem achtzigjährigen pubertierenden Vater den Haushalt führen mußte.
    »Wenn es irgendein Tanz- oder sonstiges Vergnügen gibt, das von uns aus zu Fuß erreichbar ist, kann nichts mi babbo zu Hause halten. Bei Festen ergreift eine Wildheit von ihm Besitz. Manchmal, ich übertreibe nicht, tanzt er allein wie in Raserei, wie ein Verrückter.« Sie schüttelte den Kopf. »Ich habe nichts gegen Tanzen. Ich tanze selbst gern, ich habe auch nichts gegen eine durchtanzte Nacht, aber mi babbo verliert den Verstand oder er fordert das Schicksal heraus. Er hält Ausschau nach den Mädchen mit den dicksten Eutern und gräbt seinen Kopf hinein. Er hat schon mehr Schläge bekommen als ein Esel.«
    Silvio unterbrach. »In meinem Alter lohnt das Ergebnis immer die Beschämung. Wenn man achtzig ist, ist es einem egal, ob man einen Klaps bekommt, solange man eine Umarmung und das Gefühl von Haut hat.«
    Clara schüttelte wieder den Kopf, halb nachsichtig und halb verzweifelt.
    » Mi babbo , was kann man da machen? Eines Tages …«
     
    Auf das Regal neben meinen toxischen nocino stellte ich Gläser mit Paprikaschoten in Olivenöl, mit Auberginenscheiben in Chiliöl und Knoblauch, mit winzigen flachen Zwiebelchen in Weißwein und Öl, und mit polpa aus meinen gehüteten, selbstgezüchteten Tomaten. Es gelang mir sogar, Ende September dafür im Bauschutt einige Basilikumblätter aufzuspüren. Ich hatte im Unterholz wilde Erdbeeren gepflückt und in Maraschino eingelegt. Ich hatte Brombeeren in Sirup eingelegt und Gelee gemacht. Ich hatte Quittenmarmelade, und
ich hatte vierzig Zwei-Kilo-Gläser weiße Pfirsiche in Weinbrand.
    Meine Speisekammer füllte sich, und ich war davon so begeistert, daß ich alles in Reichweite einmachte. Robbie riet den Kindern, ständig in Bewegung zu bleiben, da ich sie sonst einkochen würde. Ich verwandelte unsere Küche in eine Hexenküche mit zahllosen trocknenden Bündeln von Küchen- und Heilkräutern. Ich begann, ungehemmt meiner langen brachliegenden Leidenschaft für Heilkräuter zu frönen. Maria d'Imolo begrüßte das Einmachen uneingeschränkt. Das war eine Beschäftigung nach ihrem Geschmack. Wir rüsteten uns gegen den Winter. Es war ein Jammer, daß wir weder Hühner noch Gänse, Enten, Perlhühner oder Tauben hatten, nicht einmal ein Schwein, um unsere Tiefkühltruhe und unsere Speisekammer zu füllen, aber mit der Einmachmanie bewegten wir uns in die richtige Richtung, und sie notierte sich sogar ein oder zwei Rezepte, auch wenn der Rezeptverkehr meist nur in eine Richtung floß.

19. Kapitel
    M itte Oktober war es immer noch wunderbar warm. Die plötzlichen Gewitter hielten an und hämmerten in tropischen Sturzbächen herab. Im obersten Stockwerk hämmerten Imolo und die Arbeiter immer noch in Maestros Atelier, verputzten die drei riesigen Räume, legten Strom und Wasser und renovierten sie ganz allgemein. An manchen Stellen waren die Dachbalken schwach, folglich wurden fünfzehn Meter lange Kastanienholzbalken entfernt und ersetzt. Als Böden waren Terrakottafliesen mit rosa und roten Marmor-Umrandungen vorgesehen. Der Fliesenschneider kreischte und

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