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Ein Haus in Italien

Ein Haus in Italien

Titel: Ein Haus in Italien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa St Aubin de Terán
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beiden war auch nur im geringsten in Versuchung, aber die größere war neugierig.
    »Ich bin über ein Meter achtzig, an mir ist einfach alles groß, wie soll ich in dieses Aquarium hineinpassen?«
    Es tat uns leid, daß sie abreisten, und ich merkte, daß ich ihnen keine ihrer Laxheiten nachtrug. Ungeachtet ihrer hauswirtschaftlichen Talente, hatten sie unseren ersten Sommer überlebt und eine gute Portion humorvoller Unterstützung beigesteuert, wovon wir länger etwas haben würden als von jeder Wäsche und von jedem Abwasch.
    Das Kind Iseult, sechzehn Jahre alt, hatte beschlossen, in Paris Französisch zu lernen. Der Filmregisseur hatte ihr seine Wohnung angeboten, während er in London an einem Drehbuch arbeitete, und sie mochte ihn ebenso wie den Gedanken, seine Einzimmerwohnung am Pigalle zu bewohnen. Auf jeder Liste, die sie schrieb, stand, daß sie etwas für ihre Bildung tun und reisen wolle. Sprachen gehörten zu den Dingen, die ihr leicht fielen, also schrieb sie sich bei der Alliance Française ein. Sie sagte mir, es sei ihr im Sommer kaum gelungen, auch nur einen Posten von irgendeiner ihrer Listen abzuhaken, und wenn sie Französisch lerne, könne sie wenigstens das abhaken. Sie hatte einige Angebote bekommen, in Italien als Model zu arbeiten. Sie hatte abgelehnt, aber diese Angebote mit ihrer Verheißung von Ruhm und Geld spornten sie an, sich bei einer Modelagentur in Paris anzumelden. Dann begann sie mit den Vorbereitungen des Kofferpackens. Das dauerte zehn Tage, danach reiste sie nach Frankreich ab, sie nahm den Nachtzug von Florenz und weinte aus ihrem Schlafwagenfenster. Im letzten Augenblick überlegte sie es sich anders, aber der Zug war schon angefahren.
    Robbie bereitete sich auf seine erste Einzelausstellung in Rom vor. Er malte in seinem provisorischen Atelier wie besessen, mischte Ölfarben und suchte unter den Arbeitern nach Modellen. Ich befand mich in einem Zustand, der nur durch ein ganzes Zimmer voll gehackter Zwiebeln oder den Beginn einer Schwangerschaft zu erlangen ist. Sobald mein obsessives Obst- und Gemüseeinmachen vorüber war und ich keine Zwiebeln mehr würfelte, merkten alle, was ich schon wußte: ein Duff-Scott-Baby war unterwegs. Robbie war begeistert: Es würde sein erstes Kind sein. Allie war begeistert; er trug mir auf, einen Jungen daraus zu machen, und fragte,
wieviel Monate es dauern würde, bis er Fußball spielen könne. Iseult freute sich so sehr, daß sie ihren Schulbeginn um einige Tage verschob und nach San Orsola zurückkam, damit wir uns »von Frau zu Frau« unterhalten konnten. Imolo war so hingerissen, man hätte meinen können, er sei der Vater. Er nahm es auf sich, Gott und die Welt davon zu informieren, von dem Mann, der zum Stromablesen kam, bis zu einer Wagenladung Pilzsucher, die in den Wald unterwegs waren.
    Festas waren wichtig in Italien, Prozessionen eine ernste Angelegenheit, Ferien wurden organisiert, Landwirtschaft war Teil des Lebens, die Pflege eines Gemüsegartens Pflicht, die Aufzucht von Hühnern ein gottgegebenes Recht, das Erziehen von Kindern ein Vergnügen, das Sammeln von funghi jedoch war eine Religion. Diese funghi (verschiedene Arten wildwachsender Pilze) hatten eine Hierarchie, angeführt vom gedrungenen porcino , dicht gefolgt von dem selteneren boletro , der wie ein goldenes Eigelb unter einer dünnen Erdschicht hockte. Weit abgeschlagen kamen die quaitelle und die biètte mit ihren roten Hüten. Silvios und Claras ganze Familie zog von vier Uhr früh bis fast um die Mittagszeit in den Wald, tauchte auf der Suche nach funghi in Farnbüsche und krabbelte an bestimmten geheimgehaltenen Stellen des Waldes durchs Unterholz. Nur Dina, Silvios siebzigjährige gelähmte Ehefrau, blieb zurück, in ihren Rollstuhl gezwängt und mit der Aufsicht eines Enkelkindes betreut, das Pianist werden wollte und das Dorf mit seiner Musik erfüllte, da er acht Stunden am Tag, und zwar jeden Tag, übte, um seine Prüfungen zu bestehen.
    Wie bei jedem Dorfskandal wurde auch über die geheimen Stellen im Wald nur geflüstert und getuschelt, aber jeder
zweite kannte sie. Wer zuerst da war, bekam also die funghi , daher der frühmorgendliche Start. Die beiden Male, die Clara mich zum Mitkommen überredet hatte, brachen wir um fünf Uhr auf, nur um vor Ort halb San Orsola sowie eine Autoschlange vorzufinden, deren Kennzeichen bis nach Livorno reichten, und alle durchkämmten Farn und Brombeergestrüpp mit einer Sorgfalt, als gelte es,

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