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Ein Haus in Italien

Ein Haus in Italien

Titel: Ein Haus in Italien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa St Aubin de Terán
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gerichtsmedizinische Beweisstücke sicherzustellen. Ich brachte meinen Korb, weil man mir gesagt hatte, das täten echte funghi -Sammler, aber bei meinem ersten Ausflug hatte ich wenig zum Hineinlegen. Ich fand zwei porcini , die allerdings mit winzigen Maden durchsetzt waren und sich in meinem Korb auf ihrem Farnbett auch dann bewegten, wenn ich stillstand. Ich rettete meine Ehre ein wenig, indem ich mehrere Kilo biètte sammelte, aber da sie tiefrot sind und mehrere Zentimeter über dem Boden in Gruppen wachsen, schien mir diese Leistung ziemlich gering.
    Robbie hingegen sammelte bei seinem ersten Ausflug mit Claras Bruder Licio dreiundzwanzig porcini (mehr als sein Begleiter) und zeigte sich damit ein für alle Male als echter Mann. Die Nachricht verbreitete sich schnell, und bald trafen Glückwünsche aus dem Dorf ein. Ich vermute, mit einem solchen Talent zum porcini -Finden galt man als Liebling der Götter.
    Nachdem Robbie nun in den Wäldern gewesen, gesegnet und in den Schoß der Gemeinde aufgenommen worden war, holte man ihn auch, um anderen wichtigen Ereignissen des Ortes beizuwohnen, beispielsweise dem wöchentlichen Spiel der örtlichen Fußballmannschaft. Die irischen Beauties hatten die Fußballmannschaft nachhaltig empfohlen, darauf hatten wir aber nichts gegeben, da ihre Empfehlungen recht groß
zügig und allgemein gehalten waren. Im Spätherbst traten Robbie und Allie dem regulären Fanclub (drei Mitglieder) bei und besuchten von da an alle Spiele. Ich benutzte meine Schwangerschaft als einen Vorwand, um mich im Dorf allem, was mehr Kraftaufwand als Trinken und Tanzen erforderte, zu entziehen. Ursprünglich beim Tanzen recht schüchtern, war ich völlig umgeschwenkt, seit sich ein junger Bauer namens Domenico mit angeborenem Darmleiden und unfaßbar leichtem Polkaschritt angeboten hatte, uns den Winter über zu unterrichten.
    Den ganzen Oktober hindurch setzte Imolo seine Kampagne fort, uns zum Auszug aus den oberen Stockwerken zu bewegen, da sie ständig überschwemmt und ihre Fenster den Elementen geöffnet waren.
    »Es ist ungesund, mit Nebel im Zimmer zu schlafen«, sagte er mehrmals am Tag. Er gab sich größte Mühe, uns zu überzeugen, aber ohne Erfolg. Bereits die Restaurierung und Fertigstellung des ersten Stockwerks, der Fußboden in der Eingangshalle sowie die Installierung von Unabdingbarem wie Licht, Wasser und Abflußrohren hatten uns fast ruiniert. Wir kamen mit dem obersten Stockwerk unter dem Dach langsam voran, harrten aber noch eines finanziellen Wunders von angemessener Größe, um dafür auch bezahlen zu können. Die Wahrscheinlichkeit zweier solcher Wunder hielten wir für minimal. Daher waren wir entschlossen, unsere Räume trotz gewisser spartanischer Eigenschaften zu bewohnen, von denen gelegentliche Überschwemmung nur eine war.
     
    Nach ausgedehntem Feilschen, das sich bis in den Winter hineinzog, erwarben wir einen Holzstoß, den jemand vor unserem Haus gelagert hatte. Er wollte ihn an uns verkaufen,
da er ihn anderenfalls hätte umsetzen müssen, aber seine Forderung war absurd hoch. Wir wollten ihn kaufen, weil wir kein anderes Brennmaterial hatten. Das Handeln bestand in unserem Versuch zu verheimlichen, daß wir praktisch jeden Preis für den Holzstoß bezahlt hätten. Auf uns allein gestellt, hätten wir uns Monate vorher geeinigt, aber wir waren Teil einer Großfamilie, die adoptierten Schützlinge von Imolo und einigen anderen hiesigen Größen, daher mußte jedes örtliche Geschäft über sie abgewickelt oder auf gleiche Weise getätigt werden, wie sie es getan hätten, um nicht das Gesicht zu verlieren. Die Gesellschaft diktierte in San Orsola viel Toleranz. Jedes ihrer Mitglieder konnte Arbeit, Jungfräulichkeit, Wohlstand, Haus, einen Körperteil und sogar sämtliche Tassen im Schrank verlieren und immer noch respektiertes Mitglied der Meute sein. Aber sein Gesicht zu verlieren war eine heikle Angelegenheit, die man nicht leicht nehmen durfte. In großen Dingen, darin waren sich alle einig, verzichtete man auf die Idee des Gesichtsverlustes und vermied so Blutrache und die Verheerungen des alten Südens, aber es war eine Frage der Ehre, das Gesicht in kleinen Dingen nicht zu verlieren, und dazu gehörten symbolische Rituale wie das Feilschen um den Preis eines Holzstoßes aus zweiter Hand.
    Wie man Einflüsse und Strömungen in der italienischen Regionalarchitektur studieren kann, kann man auch Variationen der Holzstapel studieren. Im nördlichen Umbrien hat

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