Ein Haus zum Traumen
hatte.
Ihre Finger zitterten ein wenig, als sie den letzten Brief öffnete.
Dieses Mal war es nur eine Seite.
Das hört jetzt auf. Die Anrufe, die Drohungen, die Hysterie hören jetzt auf. Es ist vorbei, Janet. Das letzte Mal war ein Fehler und wird nicht mehr vorkommen. Du musst wahnsinnig sein, dass du bei mir zu Hause anrufst und mit meiner Frau sprichst, aber ich habe auch schon früher dieses kranke Verhalten bei dir bemerkt. Begreif endlich, ich werde meine Frau, meine Familie nicht verlassen. Ich will nicht alles, was ich aufgebaut habe, meine gesamte Zukunft, für dich aufs Spiel setzen. Du behauptest, mich zu lieben, aber was weiß eine Frau wie du denn schon von der Liebe? Dein ganzes Leben ist doch auf Lügen und Illusionen aufgebaut, und eine Zeitlang habe ich mich davon, von dir, verführen lassen. Aber jetzt nicht mehr.
Wenn du tatsächlich schwanger bist, wie du behauptest, so gibt es keinen Beweis dafür, dass das Kind von mir ist. Droh mir nicht noch einmal damit, alles aufzudecken, sonst wirst du dafür bezahlen, das verspreche ich dir.
Bleib in Hollywood, wo deine Lügen an der Tagesordnung sind. Hier sind sie nichts wert. Du bist nicht erwünscht.
»Schwanger«, flüsterte Cilla. Das Wort schien durchs Haus zu hallen.
Erschüttert erhob sie sich und trat an die Hintertür. Sie atmete tief durch und ließ sich das Gesicht von der kalten Luft kühlen.
Culver City
1941
»Um alles zu verstehen«, sagte Janet zu Cilla, »musst du zum Anfang zurückgehen. Er liegt nicht so weit zurück.«
Die Hand, die Cillas hielt, war klein und weich. Wie alle
ihre Träume von Janet begann das Bild als alte, vergilbte Fotografie und nahm dann langsam an Farbe und Tiefe zu.
Zwei lange Zöpfe fielen über den Rücken des Baumwollkleids wie Sonnenstrahlen auf einer Blumenwiese. Strahlende, kalte, klare blaue Augen blickten in die Welt. In die Illusion der Welt.
Um Cilla und das Kind herum, zu dem ihre Großmutter wie der geworden war, wimmelte es von Menschen, die zu Fuß oder in den offenen Bussen unterwegs waren, die über die breite Avenue fuhren. Fifth Avenue, stellte Cilla fest – beziehungsweise die Filmversion davon.
MGM war auf dem Höhepunkt. Es gab unzählige Stars, und das Kind, das ihre Hand umklammert hielt, war einer der hellsten Sterne am Filmhimmel.
»Ich bin sieben Jahre alt«, sagte Janet zu ihr. »Ich stehe jetzt schon seit drei Jahren auf der Bühne. Zuerst Vaudeville. Ich wollte singen, auftreten. Ich liebte den Applaus. Es ist, als würde man von tausend Armen umarmt. Ich träumte davon, ein Star zu sein«, fuhr sie fort und zog Cilla weiter. »Ein Filmstar, mit hübschen Kleidern und immer im Rampenlicht.«
Janet blieb stehen und vollführte einen kleinen Stepptanz. »Tanzen kann ich auch. Ich brauche für eine Nummer nur eine einzige Probe. Meine Stimme ist Magie. Ich weiß immer meinen Text, aber vor allem kann ich schauspielern . Weißt du warum?«
»Warum?«, fragte Cilla, obwohl sie die Antwort kannte. Sie hatte die Interviews, die Bücher, die Biographien gelesen. Sie kannte das Kind.
»Weil ich es glaube. Jedes Mal glaube ich die Geschichte. Und weil sie für mich real ist, ist sie auch für die Leute, die sich den Film anschauen, real. War es bei dir auch so?«
»Manchmal. Aber dann tat es zu weh, wenn es vorbei war.«
Das Kind nickte, und der Kummer der Erwachsenen trübte seine Augen. »Es ist, als ob man stirbt, wenn es aufhört, deshalb muss man etwas finden, das es wieder hell macht. Aber das ist für später. Noch weiß ich das nicht. Jetzt ist alles noch hell.« Das Kind breitete die Arme aus. »Ich bin jünger als Judy und Shirley, und die Kamera liebt mich beinahe ebenso sehr, wie ich sie liebe. Ich werde in diesem Jahr vier Filme drehen, aber dieser hier macht mich wirklich zum Star. ›Der kleine Komet‹ werden sie mich nennen, wenn The Family O’Hara in den Kinos ist.«
»Du hast › I’ll Get By ‹ gesungen, wie ein Liebeslied für deine Familie. Das Lied wurde dein Markenzeichen.«
»Sie werden es auf meiner Beerdigung spielen. Aber das weiß ich jetzt auch noch nicht. Das ist Studio eins. Brownstone Street.« Janets Stimme klang nur ganz leicht affektiert, als sie ihrer Enkelin alles erklärte. »Die O’Haras leben in New York, sie sind eine glücklose Theatertruppe. Jeder denkt, das wäre einfach nur ein weiterer Film mit Musik über die Depres sion. Aber er verändert alles. Sie werden noch lange auf dem Schweif des kleinen Kometen reiten.
Ich
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