Ein Haus zum Traumen
»Ich war damals sechs Jahre und bin mitgekommen, um ihm zu helfen, den Putz zu mischen. So ein großes Haus hatte ich noch nie gesehen.«
»Es ist gute Arbeit.«
»Er war auch stolz darauf und hat mir alles vermittelt. Miz Hardy hat mich dann für Auffrischungen und Ausbesserungen engagiert. Das war so etwa fünfundsechzig, schätze ich.«
Dobbys Gesicht erinnerte Cilla an ein Stück braunes Papier, das zusammengeknüllt und dann achtlos wieder glattgestrichen worden war. Wenn er lächelte, wurden seine Falten tief wie Täler. »So etwas wie sie hatte ich auch noch nie gesehen. Sie sah aus wie ein Engel. Sie hatte so eine liebe Art, gar nicht so eingebildet, wie man es von einem Filmstar erwarten würde. Sie hat mir auch ein Autogramm auf eine ihrer Schallplatten gegeben, als ich mich endlich getraut habe, sie zu fragen. Danach hat mir meine Frau verboten, sie jemals wieder zu spielen. Sie hat sie rahmen lassen und an die Wand gehängt, und angehört haben wir uns nur noch die neue, die sie gekauft hat. Sie hängt immer noch bei uns in der Stube.«
»Ich bin froh, dass ich Sie gefunden habe, um die Tradition zu erhalten.«
»Das war doch wohl nicht schwer. Viele Leute hätten zu Miz Hardys Zeiten und mit ihren Mitteln wahrscheinlich alles abreißen lassen.« Er blickte Cilla aus seinen dunkelbraunen Augen an. »Das machen heutzutage die meisten Leute auch so.«
»Alles kann ich nicht retten, Mr. Dobby. Manches muss sich ändern und manches muss auch weg. Aber was ich erhalten kann, werde ich auch erhalten.« Sie fuhr mit der Fingerspitze über einen langen Riss in der Wohnzimmerwand. »Ich finde, das Haus hat es verdient, dass ich Respekt vor ihm habe.«
»Respekt.« Er nickte erfreut. »Das ist eine gute Einstellung. Es passt gut, dass eine McGowan hier ist, und noch dazu eine, die direkt von Miz Hardy abstammt. Mein Enkel und ich werden gute Arbeit für Sie leisten.«
»Da bin ich sicher.«
Sie besiegelten ihr Gespräch mit einem Handschlag, und Cilla stellte sich vor, wie sein Vater ihrem Urgroßvater die Hand geschüttelt hatte. Und wie Janet Hardy eine Schallplatte signiert hatte, die jetzt gerahmt in einem Wohnzimmer hing.
Ein paar Stunden verbrachte sie fern von der Baustelle mit einem Schrankbauer im Ort. Respekt war wichtig, aber die alten Küchenschränke aus Metall mussten weg. Ein paar davon wollte sie neu streichen und in der Waschküche aufstellen, die sie plante.
Als sie wieder nach Hause kam, stand die offene Flasche Cabernet mit einem ulkigen Alien-Flaschenverschluss und einem Korkenzieher auf dem letzten Brett vor der Haustür.
Auf einem Zettel, der unter der Flasche lag, stand:
Tut mir leid, dass ich sie Ihnen nicht früher zurückgebracht habe, aber Spock, der an meinem Schreibtisch angekettet war, ist gerade entkommen, und Sie waren nicht zu Hause. Sie könnten die Flasche ganz egoistisch allein leeren oder aber einen durstigen Nachbarn bitten, Ihnen an einem der nächsten Abende Gesellschaft zu leisten.
Ford
Amüsiert überlegte sie, dass sie genau das tun würde – an einem der nächsten Abende. Als sie hinüberblickte, stellte sie ein wenig enttäuscht fest, dass er nicht auf seiner Veranda stand. Und dieser kleine Stich machte ihr klar, dass sie sich in Acht nehmen musste, wenn sie Wein mit scharfen Typen von gegenüber trank.
Ihre Gedanken führten automatisch zu seinem Atelier – dem Raum und dem Licht. Wäre es nicht schön, wenn sie auch so ein Arbeitszimmer hätte? Wenn sie ihren Lieblingstraum, Häuser zu renovieren, verwirklichen wollte, brauchte sie attraktive, effiziente Büroräume.
Das Schlafzimmer im ersten Stock, das sie für diesen Zweck vorgesehen hatte, würde sicher reichen. Aber als sie die Flasche Wein auf die alte Küchentheke stellte (morgen würde sie sie abreißen) und an Fords Atelier dachte, kam ihr das geplante Büro auf einmal klein und kaum ausreichend vor.
Wahrscheinlich konnte sie die Wände zu den anderen beiden Schlafzimmern herausreißen, dachte sie. Aber dadurch hatte sie immer noch nicht genug Licht, und es sah auch nicht so aus, wie sie es sich jetzt vorstellte.
Sie ging im Erdgeschoss herum, überlegte, plante und verwarf wieder. Hier könnte es funktionieren, dachte sie, aber eigentlich wollte sie ihr Büro nicht im Parterre haben. Sie wollte nicht auf der Arbeit leben, sozusagen. Jedenfalls nicht langfristig. Und wenn sie Fords wundervolles Atelier nicht gesehen hätte, dann wäre sie mit ihrem umgestalteten Schlafzimmer völlig
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