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Ein Held unserer Zeit

Ein Held unserer Zeit

Titel: Ein Held unserer Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michail Lermontow
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– sie wird es nur um so mehr wünschen.
     
    Ich drückte ihr zweimal die Hand; beim zweiten Mal zog sie sie, ohne ein Wort zu sagen, zurück.
     
    "Ich werde heut' Nacht schlecht schlafen," sprach sie, als die Mazurka zu Ende war.
     
    "Sollte Gruschnitzki daran Schuld sein?"
     
    "O, durchaus nicht!"
     
    Und ihr Antlitz wurde so nachdenklich, so traurig, daß ich mir das Wort gab, schon an diesem Abend unbedingt ihre Hand zu küssen.
     
    Kurz nachher brach man auf. Als ich Mary zu ihrem Wagen führte, ergriff ich plötzlich ihre kleine Hand und drückte sie rasch an meine Lippen. Es war dunkel, und Niemand konnte es sehen.
     
    Sehr mit mir zufrieden kehrte ich in den Saal zurück. An einem großen Tische soupirten die jungen Leute. Auch Gruschnitzki befand sich unter ihnen. Als ich eintrat, schwieg Alles; offenbar war von mir die Rede gewesen. Von dem vorigen Balle her sehen mich viele mit schiefen Blicken an, besonders der Dragonerhauptmann; jetzt aber scheint sich unter Gruschnitzki's Commando eine regelrechte Verschwörung gegen mich zu organisiren. Er nimmt eine so stolze martialische Miene an ...
     
    Freut mich sehr. Ich liebe meine Feinde, wenn auch nicht im christlichen Sinne. Sie amüsiren mich, bringen mein Blut in Wallung. Immer auf seiner Hut sein müssen, jeden Blick erspähen, den Sinn jedes Wortes erforschen, ihre Absichten errathen, ihre Pläne durchkreuzen, eine falsche Sicherheit heucheln und plötzlich mit einem Stoße das große mit so vieler Mühe errichtete Gebäude ihrer heimtückischen Combinationen über den Haufen werfen – das nenne ich leben!
     
    Während des ganzen Souper hörte Gruschnitzki nicht auf, dem Dragonerhauptmann zuzuflüstern und ihm verständnißvolle Winke zu geben.
     
     
    * * *
     
     14. Juni.
     
     
    Heut' Morgen ist Wera mit ihrem Manne nach Kislowodsk abgereist. Ich begegnete ihrem Wagen, als ich mich zu der Fürstin Ligowski begab. Sie nickte mir mit dem Kopfe. In ihrem Blicke lag ein Vorwurf.
     
    Wer hat die Schuld? Warum will sie mir nicht Gelegenheit geben, sie allein zu sehen. Die Liebe ist wie das Feuer – ohne Nahrung erlischt sie. Vielleicht bewirkt die Eifersucht, was meinen Bitten unmöglich war.
     
    Ich blieb über eine Stunde bei der Fürstin. Mary kam nicht zum Vorschein. Sie ist krank. Auch hat sie sich am Abend nicht auf dem Boulevard gezeigt. Die neu organisirte Kabale nahm, mit Lorgnetten bewaffnet, in der That eine drohende Haltung an. Es freut mich, daß Mary krank ist; sie hätten die eine oder andere Frechheit begehen können. Gruschnitzki's Haar ist vernachlässigt, und sein Gesicht drückt Verzweiflung aus. Seine Eigenliebe scheint wirklich arg gelitten zu haben; aber es gibt Leute, die sogar in ihrer Verzweiflung lächerlich sind.
     
    Als ich in meine Wohnung trat, fühlte ich, daß mir etwas fehlte. Ich habe sie nicht gesehen! Sie ist krank! Sollte ich in der That verliebt sein? ... Welche Albernheit!
     
     
    * * *
     
     15. Juni.
     
     
    Heut' Morgen gegen elf Uhr, – die Stunde, wo die Fürstin Ligowski sich nach dem Bade zu begeben pflegt – kam ich an ihrem Hause vorbei. Mary saß gedankenvoll am Fenster. Als sie mich erblickte, stand sie rasch auf. Ich trat in das Vorzimmer; Niemand war da, mich anzumelden, und so begab ich mich ohne Weiteres in das Gastzimmer.
     
    Eine trübe Blässe bedeckte Mary's schönes Gesicht. Sie stand am Piano, die Hand auf die Lehne eines Stuhls gestützt, und diese Hand zitterte kaum merklich.
     
    Ich trat auf sie zu und sagte:
     
    "Sind Sie erzürnt auf mich?"
     
    Sie sah mich mit ihren großen tiefen Augen an und schüttelte den Kopf. Ihre Lippen bewegten sich, aber ohne ein einziges Wort hervorzubringen. Ihre Augen füllten sich mit Thränen, sie sank in den Sessel und bedeckte das Gesicht mit den Händen.
     
    "Was fehlt Ihnen denn?" sagte ich, ihre Hand ergreifend.
     
    "Sie achten mich nicht ... O, lassen Sie mich!"
     
    Ich that einige Schritte zurück. Sie richtete sich auf im Sessel; ihre Augen funkelten.
     
    Ich blieb stehen, griff nach der Thür und sagte:
     
    "Verzeihen Sie, Fürstin; ich habe wie ein Unsinniger gehandelt ... Es wird nicht zum zweiten Mal geschehen; ich werde meine Maßregeln ergreifen ... Und wie könnten Sie auch wissen, was in mir vorgegangen ist? Nein, Sie werden es nie erfahren, und das wird für Sie auch das Beste sein. Leben Sie wohl."
     
    Als ich hinausging, schien es mir, als hörte ich sie weinen.
     
    Bis zum Abend streifte ich zu Fuß an den

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