Ein Held unserer Zeit
Abhängen des Maschuk umher, so lange, bis ich vollständig erschöpft war. Nach Hause zurückgekehrt, warf ich mich auf das Bett.
Da trat Werner ein.
"Ist es wahr," fragte er, "daß Sie die junge Fürstin Ligowski heirathen?"
"Welcher Einfall!"
"Die ganze Stadt sagt es; alle meine Patienten sind mit dieser wichtigen Neuigkeit beschäftigt, – und die Kranken wissen ja immer Alles!"
"Für diesen Streich habe ich mich bei Gruschnitzki zu bedanken," dachte ich.
"Um Ihnen, Doctor, die Unrichtigkeit dieser Neuigkeit zu beweisen, theile ich Ihnen im Vertrauen mit, daß ich morgen nach Kislowodsk abreise."
"Reist die Fürstin ebenfalls?"
"Nein; sie bleibt noch acht Tage hier."
"Sie heirathen sie also nicht?"
"Doctor, Doctor! Betrachten Sie mich doch; sehe ich denn aus wie ein Bräutigam, oder habe ich wenigstens einige Aehnlichkeit mit einem solchen?"
"Das behaupte ich nicht ... Aber Sie wissen, es gibt Umstände," fuhr er schlau lächelnd fort, "wo ein Ehrenmann verpflichtet ist, zu heirathen, und es gibt Mütterchen, welche derartige Umstände wenigstens nicht voraussehen ... Als Freund rathe ich Ihnen daher, vorsichtiger zu sein. Hier im Bade weht eine sehr gefährliche Luft. Wie manchen schönen jungen Mann, der eines bessern Looses würdig gewesen, habe ich von hier direct in das Ehejoch sich begeben sehen ... Sogar mich – können Sie das glauben! – hat man verheirathen wollen. Es war eine jener zärtlichen Mütter vom Lande, deren blasse Tochter meiner Fürsorge anvertraut war. Ich hatte eines Tages das Unglück, ihr zu sagen, nach der Hochzeit würde die frische Gesichtsfarbe ihrer Tochter zurückkehren; da offerirte sie mir mit Thränen der Dankbarkeit in den Augen die Hand ihrer Tochter, sowie ihr ganzes Vermögen, das heißt fünfzig Leibeigene. Aber ich antwortete, ich sei eines solchen Glückes nicht würdig."
Nach dieser Rede ging Werner wieder fort, vollkommen überzeugt, er habe mir einen weisen Rath gegeben.
Aus seinen Worten ging wenigstens so viel hervor, daß über mich und Mary verschiedene dumme Gerüchte verbreitet sind. Das werde ich Gruschnitzki nicht so hingehen lassen.
* * *
18. Juni.
Seit drei Tagen befinde ich mich in Kislowodsk. Täglich sehe ich Wera an der Quelle und auf der Promenade. Des Morgens setze ich mich an das Fenster und richte meine Lorgnette auf ihren Balkon; sie ist schon längst angekleidet und erwartet das verabredete Zeichen. Wir treffen uns wie zufällig in dem Garten, der von unseren Wohnungen nach der Quelle führt. Die belebende Bergluft hat ihr Antlitz wieder geröthet und ihre Kräfte gestärkt. Nicht ohne Grund heißt Narsan die Heldenquelle. Die Bewohner der hiesigen Gegend behaupten, die Luft von Kislowodsk mache das Herz für die Liebe empfänglich, und hier fänden all die Romane, die an den Abhängen des Maschuk begonnen, ihren Abschluß.
Und in der That, hier athmet Alles Einsamkeit; hier ist Alles so geheimnißvoll. Große schattenreiche Lindenalleen ziehen sich nach dem Waldbach hinunter, der sich bald schäumend und lärmend von Fels zu Fels stürzt, bald sich zwischen grünen Hügeln dahinschlängelt. Etwas weiter gewahrt man schweigsame nebelbedeckte Schluchten, deren Verzweigungen sich nach allen Richtungen hin erstrecken. Das hohe Gras, die langen Zweige der weißen Akazien erfüllen die Atmosphäre mit aromatischen Düften, und das Ohr erfreut sich an dem unaufhörlichen, einschläfernden Gemurmel der Bäche, welche sich in der Ebene brüderlich vereinigen und sich gemeinschaftlich in den Podkumok ergießen.
Nach dieser Seite erweitert sich die Schlucht und verwandelt sich in ein grünes Thal, durch welches sich ein staubiger Weg zieht. So oft ich meine Blicke nach diesem Wege richte, ist es mir, als rollte ein Wagen über denselben, und als blickte aus dem Fenster dieses Wagens ein rosiges Gesichtchen. Aber schon viele Wagen sind über diesen Weg gekommen – der erwartete erscheint nicht.
In dem Dorfe, das hinter dem Fort liegt, geht es sehr lebhaft her. In der Restauration, die auf einer Anhöhe in geringer Entfernung von meiner Wohnung sich befindet, schimmern des Abends eine Menge Lichter durch die doppelte Pappelreihe; und bis tief in die Nacht hört man die Stimmen der Gäste und das Klirren der Gläser.
Nirgends wird so viel Kachetinerwein und so viel Mineralwasser getrunken als hier.
Gruschnitzki macht mit seinem Anhang großen
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