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Ein Held unserer Zeit

Ein Held unserer Zeit

Titel: Ein Held unserer Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michail Lermontow
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erfreut.
     
    "Ich glaubte," versetzte sie mit einem sehr anmuthigen Lächeln, "Sie tanzten nur aus Nothwendigkeit wie das letzte Mal."
     
    Die Abwesenheit Gruschnitzki's scheint sie durchaus nicht bemerkt zu haben.
     
    "Morgen werden Sie eine angenehme Ueberraschung haben," fuhr ich fort.
     
    "Wieso?"
     
    "Das ist ein Geheimniß ... auf dem Balle werden Sie es selbst errathen."
     
    Den Rest des Abends habe ich in dem Salon ihrer Mutter verbracht. Außer Wera und einem sehr amüsanten Greise waren keine Gäste anwesend. Ich war gut aufgelegt und improvisirte verschiedene merkwürdige Historien. Mary saß mir gegenüber und hörte meine Albernheiten mit solch vertrauensvoller, ja fast zärtlicher Aufmerksamkeit an, daß ich mir Vorwürfe machte. Wo sind ihre Lebhaftigkeit, ihre Koketterie, ihre Launen, ihre stolze Haltung, ihr verächtliches Lächeln, ihre zerstreuten Blicke geblieben?
     
    Das Alles hat Wera sehr wohl bemerkt. Auf ihrem leidenden Gesichte war tiefe Traurigkeit zu lesen; sie saß in einem breiten Lehnstuhl vergraben in einer Fensternische. Ich hatte Mitleid mit ihr.
     
    Und dann erzählte ich die ganze dramatische Geschichte meiner und Wera's Liebe, wobei ich natürlich sämmtliche Namen änderte.
     
    Ich schilderte so lebhaft meine Zärtlichkeit, die Unruhe, das Entzücken unserer Liebe; ich zeigte ihren Charakter, ihr Benehmen in einem so günstigen Lichte, daß sie mir wohl oder übel meine Koketterie mit Mary verzeihen mußte.
     
    Sie stand auf und setzte sich zu uns – sie war wie neugeboren ... Und erst um zwei Uhr Morgens erinnerten wir uns, daß die Aerzte uns verordnet haben, um elf Uhr zu Bett zu gehen.
     
     
    * * *
     
     13. Juni.
     
     
    Eine halbe Stunde vor dem Ball erschien Gruschnitzki bei mir im ganzen Glanze seiner Offiziersuniform. An seinem dritten Knopfe hing eine kleine Broncekette, an welcher sich eine Lorgnette schaukelte. Die ungewöhnlich großen Epauletten erhoben sich auf seinen Schultern wie Amorettenflügel. Seine Stiefel knarrten, und in seiner Linken hielt er seine Mütze und zimmetfarbene Handschuhe; mit der Rechten strich er jeden Augenblick seine Haarlocken zurecht. Sein Gesicht drückte Selbstzufriedenheit, zugleich jedoch ein gewisses Mißtrauen aus. Seine Festtagstoilette, sein stolzer Gang hätten mich zum Lachen gereizt, wenn dasselbe mit meinen Plänen vereinbar gewesen wäre.
     
    Er warf Mütze und Handschuhe auf den Tisch, stellte sich vor den Spiegel und begann an seinen Rockschößen zu zupfen. Eine ungeheure schwarze Cravatte, die einen sehr hohen Stehkragen umschloß, preßte ihm das Kinn und ragte einen guten halben Zoll über den Kragen empor. Aber das schien ihm noch zu wenig und so zog er sie bis zu den Ohren empor. In Folge dieser mühevollen Arbeit – denn der Uniformskragen war sehr schmal und widerspenstig – war sein Gesicht ganz blau angelaufen.
     
    "Man behauptet," sagte er ziemlich gleichgiltig und ohne mich anzusehen, "du hättest während der letzten Tage meiner Prinzessin schrecklich den Hof gemacht?"
     
    "Wir armen Teufel müssen doch irgendwo unsern Thee trinken!" erwiderte ich ihm, eine sprichwörtlich gewordene Stelle aus einer der reizendsten Novellen von Puschkin citirend.
     
    "Sage einmal, wie steht mir die Uniform? ... Ach, der verdammte Jude! ... Wie das unter den Armen kneift! ... Hast du kein Riechfläschchen?"
     
    "Ich bitte dich, wozu noch mehr? Du strömst schon einen solchen Duft von Rosenpomade aus!"
     
    "Thut nichts, gib nur her ..."
     
    Und er goß sich ein halbes Fläschchen auf Cravatte, Taschentuch und Aermel.
     
    "Wirst du tanzen?" fragte er.
     
    "Ich denke nicht."
     
    "Ich fürchte, ich muß mit der Fürstin die erste Mazurka tanzen; und ich kenne kaum eine Figur ..."
     
    "Hast du sie zu der Mazurka engagirt?"
     
    "Noch nicht."
     
    "So sorge, daß dir Niemand zuvorkommt."
     
    "Das ist auch wahr!" rief er, sich vor die Stirn schlagend. "Adieu ... ich werde dich auf dem Perron erwarten."
     
    Und er ergriff seine Mütze und eilte davon.
     
    Nach einer halben Stunde begab auch ich mich nach dem Balle. Auf der Straße war es trübe und leer. Die Menge drängte sich um das Haus, in welchem getanzt werden sollte; sämmtliche Fenster desselben waren erleuchtet; der Abendwind trug mir die Töne der Regimentsmusik zu. Langsam schritt ich dahin; ich war trübe gestimmt ... Ist es denn möglich, dachte ich, daß mein einziger Beruf hier auf der Welt der sein kann, die Hoffnungen Anderer zu

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