Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ein Herz bricht selten allein

Ein Herz bricht selten allein

Titel: Ein Herz bricht selten allein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gitta von Cetto
Vom Netzwerk:
das ebenmäßige Klipp-Klipp von Mrs. Ronsfields
Gartenschere. Sie hatte den riesigen Strohhut unterm Kinn mit einem grünen
Samtband zusammengebunden und schnitt langstielige Gladiolen ab.
    »Glück gehabt. Irgend jemand
von ihren Bekannten hat das Zeitliche gesegnet«, stellte Evelyne fest. »Ich
glaube, sie würde sich selbst über meine Beerdigung freuen.«
    »Du magst deine Mutter nicht
besonders?« fragte Franzi, während sie sich das kurze Nachthemd über den Kopf
zog.
    »O doch, sie hat ein paar gar
nicht so schlechte Eigenschaften. Aber ich kann sie nicht durch die rosarote
Brille sehen, nur weil sie meine Mutter ist. Ich habe sie mir nicht
ausgesucht.«
    »Ich will dir mal was sagen:
Unsere Mütter haben sich uns als Töchter ja auch nicht ausgesucht. Sie haben
nehmen müssen, was sie bekamen, und das ist keineswegs immer Superklasse.«
    »Oh, schau doch mich an!«
    Evelyne lachte und steckte sich
eine Zigarette an. Es war die zweite vor dem Frühstück, und hätte Mrs.
Ronsfield sie dabei ertappt, hätte sie in jenem anklagenden Ton, den Evelyne
nicht ausstehen konnte, ausgerufen: »Kind, du ruinierst systematisch deine
Nerven und deinen Teint!«
     
    Es war schon fast Mitternacht,
und Jean war immer noch nicht in Bettinas Pension erschienen. Aber dann, als
Bettina bereits die trübselige Nachttischlampe ausgeknipst hatte, klopfte es an
ihre Tür.
    »Signora, da ist ein Herr, der
Sie sprechen möchte.« Die Frau des Padrone hatte Mißbilligung in ihre Stimme
gelegt.
    Sie hielt vor der Tür noch eine
kurze Rede, von der Bettina mit ihren kärglichen Kenntnissen der italienischen
Sprache nur das Wort >pensione integro< deuten konnte. Aber ihre Gesten
sagten mehr als Worte.
    »Ja, ja, ich weiß.« Bettina
wollte um Gottes willen nicht den Ruf dieses prachtvollen Fremdenheimes
gefährden, wo die Zahnpasta vom Vorgänger noch am Zahnglas und die
Mückenleichen vom Jahr zuvor an der Tapete klebten. »Ich muß mir nur rasch was
anziehen.«
    »Der Herr wartet im Salon«,
sagte die Padrona.
    Bettina schlüpfte in ihren
langen Bademantel aus weißem Frottee. Ob Jean eine gute Nachricht für sie brachte?
Irgendeine Art Arbeit? Auch eine Schinkensemmel wäre nicht übel...
    Der Salon zeichnete sich durch
einen penetranten Geruch nach Fliegenspray und den in einer blauen Glasschale
alternden Aniskeksen aus. Die Vorhänge aus dunkelrotem Samt waren nur auf einer
Seite gerafft, die andere Seite schlappte am Boden. Ein stark angeschlagenes
Rotkäppchen aus Terrakotta hielt eine Lampe hoch. Sie verbreitete ein
schilfgrünes Licht. Der ganze Salon samt der am Fenster kränkelnden Palme, den
goldenen Stühlen, der finsteren Berglandschaft über dem Büfett und den bemalten
Kissen, auf denen sich abscheuliche Riesenpuppen räkelten, schwamm in diesem
grünen Licht wie eine beklemmende Unterwasserlandschaft. Auf einem der
Goldstühle saß Ludwig Seggelin.
    »Guten Abend«, sagte er auf
Schwyzerdütsch und erhob sich. »Es war nicht ganz leicht, Sie um diese Stunde
aus dem Bett zu kriegen.«
    Bettina konnte ihre
Enttäuschung nicht verbergen. »Wer zwingt Sie, mich ständig aus dem Bett zu
holen? Heute morgen und jetzt wieder«, sagte sie.
    Seggelin rückte einen Stuhl für
sie zurecht. »Wollen Sie sich nicht setzen?«
    »Nein.«
    »Die Sache ist nämlich die: Ich
komme sozusagen in Vertretung von Herrn Moulin zu Ihnen.« Seggelin setzte sich
behaglich in seinem Stuhl zurecht.
    Wenn er nur nicht mit diesem
nach Kuhglocken, Almenwiesen und Käse klingenden Schwyzer Akzent sprechen
würde. Käse? Roch es hier nicht nach Käse? Bettinas knurrender Magen ließ sie
keinen klaren Gedanken mehr fassen.
    »Ja, es ist sehr traurig, aber
Herr Moulin ist leider verhindert«, sagte Herr Seggelin und legte seine Stirn
in betrübte Falten.
    »Machen Sie’s bitte nicht so
spannend, was ist los?«
    »Schauen Sie, er heißt
ebensowenig Moulin, wie Sie Plus heißen, Frau Haller. Nur mit dem Unterschied,
daß Sie bisher nichts mit der Interpol zu tun hatten. Bei Herrn Johann
Rindlende...«
    »Wie bitte?« unterbrach ihn
Bettina.
    »Johann Rindlende, so heißt er.
Er ist Kellner und stammt aus dem Badischen. Der Herr wird von Interpol
gesucht. Mädchenhandel. Ein paar Ganoven haben da mit ihm diesen Filmwettbewerb
aufgezogen. Schon das viertemal übrigens.«
    Bettina sah sich nach einem
Halt um, und wieder rückte Seggelin ihr eifrig den goldenen Stuhl zurecht.
    »Sehen Sie, Sie hätten sich
lieber gleich setzen sollen. Die Fingerabdrücke waren

Weitere Kostenlose Bücher