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Ein Herz bricht selten allein

Ein Herz bricht selten allein

Titel: Ein Herz bricht selten allein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gitta von Cetto
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Breitengraden.«
    »Ich gehöre nicht zur
Prominenz.«
    »Irgendwo, wo ordentliche Leute
leben können«, fügte er grollend hinzu.
    »Ordentlich bin ich auch nicht.
Das ist es ja gerade. Ich will ich selbst sein. Ich möchte mich absetzen von
meiner Vergangenheit. Ich will mich auch von meiner Familie absetzen.«
    »Ich dachte, du wolltest ihnen
ein Heim schaffen. So hast du es gestern ausgedrückt.«
    »Ein Ferienheim«, berichtigte
Anna. Sie blieb stehen und wies nach Süden, wo sich im silbrigen Dunst ein
Bergkegel aus dem Meer erhob. »Schau, der Monte Cristo. Ist das nicht die
reinste Märchenkulisse?«
    Frank warf einen flüchtigen
Blick dorthin. »Ja, Walt Disney wäre begeistert«, knurrte er. Er sah Anna
ungläubig an und fragte: »Möchtest du denn ganz hier wohnen?« Er hatte jetzt
die Hosenbeine hochgekrempelt und stapfte weiter.
    »Ja.«
    »Warum kaufst du dir keine
Eigentumswohnung in irgendeiner netten Stadt? Das ist doch ganz unrationell,
hier zu bauen. Ist denn das Trinkwasser gut? Ich wette, es wird nicht
kontrolliert. Und sicher kannst du dir nicht einmal Telefon legen lassen. Gibt
es denn wenigstens einen Arzt?«
    Wieder blieb Anna stehen. »Was
haben sie aus dir gemacht, Frank? Du bist amerikanischer als ein Amerikaner!«
    Sie sahen einander an. Keine
breite Brücke führte mehr zueinander, schließlich nach dreißig Jahren. Aber ein
schmaler Steg war noch da, und der genügte, um ein Stichwort hinüberzuschicken.
    »Weißt du noch, Franzi:
Hotelstapeln?« erinnerte ihn Anna.
    Da war das alte verschmitzte
Aufblitzen in seinen Augen, und das machte ihn wieder zum
zweiundzwanzigjährigen Germanistikstudenten Franz Kohlmannsperger, dessen Vater
den Wechsel auf ein Existenzminimum gekürzt hatte, weil Franz rebellische, ganz
und gar unerwünschte Gedanken vertrat. Anna, die ihren Vater früh verloren hatte
und sich als mittelmäßig begabte und mittelmäßig bezahlte Tippse durchschlug,
pflegte mit Frank ihre Dämmerstunden in den Hallen großer, teurer Hotels zu
verbringen. Sie hockten dann in den tiefen Klubsesseln, warteten auf einen
imaginären Mr. Smith, schnitten gelangweilte und — wie es zu diesem Spiel
gehörte — stinkreiche Gesichter, ließen sich von den Boys mit Zeitschriften
bedienen und mokierten sich hinter den Blättern über die Bourgeoisie.
    »Hör zu, Susan und Nancy wollen
sich heute abend mal richtig an Langusten satt essen. Du kommst doch mit?«
fragte Frank.
    »Vor dreißig Jahren hätten wir
es lächerlich gefunden, Langusten zu essen. Weißt du noch, Franzi? Manchmal
denke ich an meine jugendlichen Hoffnungen und hochtrabenden Wünsche und
Pläne... Man bildet sich ein, zu besonderen Aufgaben ausersehen zu sein. Und
die Ernte?«
    »Na, erlaube mal, was willst du
eigentlich? Du hast deine drei Kinder wundervoll hingekriegt.«
    Drüben auf dem anderen Hügel
schrie ein Esel. Gut, antworte du, dachte Anna erleichtert. Der beizende Duft
des lavendelfarben blühenden Rosmarins breitete sich über die Macchia.
    Susan legte Wert darauf, in
einem rustikalen Ristorante zu essen. Rustikal war die große Mode in Amerika.
Sie hatte im Frühjahr einen Bauernschrank gekauft, bavarian style, weiß Gott
auf welchem Fließband in Ohio hergestellt. Aber seit dieser Schrank mit seinen
Rosen und Vergißmeinnicht und feuerroten Herzen in ihrer eleganten Wohnung in
Riverside Drive prangte, schwärmte sie für das Ländliche. Sie hatte sich schwarze
Trittlinge mit Silberspangen gekauft und ein Original-Dirndlkleid, bei dem
Almenrausch und Edelweiß um die Vorherrschaft stritten, Susans stattlichen
Busen zu dekorieren. Mit diesem Dirndlgewand, den Tiroler Schnallenschuhen,
einer rosa Schürze und einem winzigen grünen Lausbubenhut auf ihrer blonden
Lockenpracht erschien sie in der Strandkneipe von Fetovaia.
    Frank strahlte. Er hatte Hunger
und freute sich auf ein gutes Essen und auf den herben Elbawein. Er hatte an
seiner Frau nichts auszusetzen, er fand sie auch nicht komisch. Ganz
offensichtlich war er zufrieden mit ihr und dem Zusammenleben mit ihr. So also
sah die Liebe eines alternden Ehepaares aus. Anna prüfte sich. War sie
neidisch?
    Nancy war ganz anders geartet
als die Mutter, ein sachliches, gescheites Geschöpf. Manche ihrer Bemerkungen
waren scharf wie Rasierklingen und ebenso verletzend. Sie sagte: »Sieht Mam
nicht aus wie die Frau eines Zauberers, der im Zirkus auftritt? Alle starren
die dicke, farbenfreudige Mama an, während Dad seinen Zaubertrick mit den
Kaninchen

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