Ein Herz voll Liebe
„Natürlich. In der Küche steht eine ganze Kanne.”
Er kroch förmlich in sich zusammen. Unglaublich, dachte sie. Dieser große, starke Kerl hat Angst, in die Küche zu gehen und sich Kaffee zu holen.
Sie hatte Mitleid. „Möchten Sie, dass ich Ihnen noch einen Becher Kaffee hole?” bot sie an.
Deke sah sie aus blutunterla ufenen Augen so dankbar an, als habe sie ihm eine Million offeriert. „Bitte”, murmelte er.
Mollie nahm die Tasse und verließ den Raum.
In der Küche fand sie nur noch eine der Frauen vor, die gerade dabei war, die Windeln des Babys zu wechseln. „Ich bringe Jolene in ihr Zimmer, damit sie ein Nickerchen machen kann”, informierte die Frau Mollie.
„Sind die anderen gegangen?”
„O ja. Sie müssen sich um ihre Familien kümmern.”
Mollie goss Kaffee in den Becher, folgte dann einer Eingebung und nahm die ganze Kanne mit. Als sie das Büro betrat, sah sie, dass Deke sich zurückgelehnt hatte und den Kopf mit geschlossenen Augen auf der Lehne ruhen ließ.
Das helle Licht, das durch die hohen Fenster fiel, zeigte das ganze Ausmaß der Verwüstung, die der Alkohol in seinem Gesicht angerichtet hatte. Um seine geschwollenen Augen lagen dunkle Schatten, und tiefe Linien hatten sich um seinen Mund eingegraben.
Sie stellte die Kaffeekanne auf eine Filzunterlage vor ihm auf den Tisch und setzte sich schweigend wieder auf ihren Stuhl.
Deke öffnete die Augen und starrte einen Moment durch Mollie hindurch. Dann klärte sich sein Blick, und er griff nach seinem Becher, um einen großen Schluck zu trinken. „Der Kaffee, den Sie kochen, ist ein starkes Gebräu, das kann ich Ihnen versichern. Das gefällt mir, aber Sie sind zu jung”, fügte er hinzu.
„Für was?”
Ihre Antwort brachte ihn aus dem Konzept, und er errötete. „Um jemandem den Haushalt zu führen oder Kindermädchen zu spielen”, murmelte er.
„Na schön”, erwiderte sie. „Vielleicht bin ich wirklich zu jung. Aber Sie brauchen jemanden, und zur Zeit bin ich die einzige, die den Job freiwillig übernehmen möchte. Sie und Jolene haben Hilfe nötig, und es tut Ihrem Stolz keinen Abbruch, wenn Sie es zugeben.
Wer kümmert sich um Ihre Ranch?”
Er blickte aus dem Fenster. „Mein Verwalter.”
„Wann haben Sie das letzte Mal mit ihm gesprochen?”
„Geht Sie das was an?”
„Nichts. Ich habe mich nur gefragt, wie lange Sie sich noch in Ihrem Zimmer verstecken wollen.”
„Ich verstecke mich nicht, verflixt! Ich weiß, was geschehen ist, und ich weiß, dass ich es nicht ändern kann. Ich weiß …” Ihm versagte die Stimme.
„Ein paar Dinge könnten Sie schon ändern, Mr. Crandall. Zum Beispiel das, was Sie heute tun. Sie können aus ihrer Höhle kommen und beginnen, sich für Ihre Tochter zu interessieren.
Und für das, was auf Ihrer Ranch in den letzten Wochen passiert ist. Sie …”
„Was glauben Sie eigentlich, wer Sie sind! Wer hat Ihnen gestattet, mir gute Ratschläge zu geben? Sie haben keine Ahnung, was ich mitgemacht habe. Sie wissen doch überhaupt nicht, was …” Er brach mitten im Satz ab, weil ihm klar wurde, was er sagte und zu wem er es sagte.
„Tut mir leid”, murmelte er. „Ich habe die Sache mit Ihren Eltern vergessen.”
„Alles, was ich sagen wollte, ist, dass Sie einen guten Grund haben, sich zusammenzureißen. Sie haben eine Tochter, die Sie braucht. Und auch Sie brauchen Jolene, selbst wenn Sie sich das im Moment noch nicht eingestehen.”
Eine Weile schwiegen sie sich an und tauschten nur ab und zu einen Blick. Dann seufzte Deke tief und sagte: „Ich sehe, dass Sie in vielem recht haben, aber ich brauche mehr Zeit.”
Er stand auf und ging aus dem Zimmer. Mollie blieb sitzen und lauschte auf seine Schritte, die sich durch den Flur entfernten. Die Tür zu seinem Zimmer schlug zu, so dass Jolene erwachte und einen Laut von sich gab. Mollie hörte, wie die Frau etwas Beruhigendes murmelte. Das Baby protestierte nicht mehr, und es herrschte wieder Stille.
Erst nach einigen Minuten war Mollie in der Lage, aufzustehen und durch die Küche nach draußen zu gehen. Bei ihrem Auto angelangt, wandte sie sich um und warf noch einen Blick auf die Gebäude der Ranch.
Eine Schande, dachte sie. Wenn er nur merken würde, wieviel er noch hat, wofür er dankbar sein kann. Na ja, immerhin habe ich es versucht, sagte sie sich.
Mollie fuhr schweren Herzens nach Hause. Sicher gab es einen Weg zu helfen, doch im Moment fiel ihr keiner ein. Sie konnte nicht denken.
Dass es Deke
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